Lalla Romanos erster Roman aus 1953 erinnert an Flauberts »Un coeur simple«.


Spätsommer. Mit dem Einzug in das neue Haus kommt auch Maria, geboren in einem kleinen Dorf in den provenzalischen Alpen jenseits der italienischen Grenze. Maria bewegt sich lautlos durch die Zimmer, steht früh auf, geht dann zur Messe und einkaufen. Sie erledigt alles ohne großes Aufheben, aber immer voller Aufmerksamkeit und Ernst. Ein Knabe wird geboren, Marias Augenstern – bis zum Ende der Geschichte heißt er nur »das Kind«. Abends geht die Ich-Erzählerin in die Küche und lässt sich durch Maria von der Welt berichten, mit-erlebt sie durch die Dienerin. Es passiert nicht viel und doch alles: das Altern, das Vergehen der Zeit, leise eintretende Veränderungen, bis man sich nur mehr einmal im Jahr sieht.

Graziella Romano, genannt Lalla, stammt aus einer piemontesischen Familie jüdischer Herkunft. Sie lebte äußerst zurückgezogen, das scheint sie mit der Erzählerin in »Maria« zu verbinden. Im Schreiben sei es ihr Anliegen, »Bilder einfangen, sie mit Stille zu umgeben«. Klaudia Ruschkowski nennt das im Nachwort treffend Kunst der Diskretion: »Einer der Brüder litt an einem nächtlichen Übel, das damals mit dem Gürtel geheilt wurde.« Mit leichter Ironie alles gesagt, ohne allzu deutliche Wörter zu verwenden! Lalla Romano geht in der Reduktion noch weiter: Ihre Erzählerin gibt so gut wie nichts über sich preis, trotzdem tritt mit der Zeit hinter dem Portrait Marias die Gestalt einer fast viktorianisch-distanzierten jungen Frau hervor, die sich zu Unrecht kraftlos fühlt. Bemerkenswert!

Lalla Romano
Maria
Ü: Klaudia Ruschkowski
S. Marix, 192 S.