Die Buchkultur-Jury 2023 für »Die besten Krimis für den Sommer«:

Susanne Böckler, Buchhandlung Alex liest Agatha, Essen
Grit Burkhardt, Krimibuchhandlung totsicher, Berlin
Monika Dobler, Kriminalbuchhandlung glatteis, München
Christoph Gottschalk, Buchhandlung Thalia Landstraße, Wien
Claudia Held, Krimihelden, Salzburg
Christian Koch und Robert Schekulin, Krimibuchhandlung Hammett, Berlin
Johannes Kößler, Buchhandlung Seeseiten, Wien
Maria Leitner, Redaktion Buchkultur
Thomas Przybilka, Krimiarchiv Bonn
Walter Robotka, Buchhandlung Mord und Musik, Wien
Elisabeth Schippel, Krimisalon, Wien
Rotraut Schöberl, Buchmedienexpertin, Herausgeberin und Moderatorin
Thomas Wörtche, Kritiker und Herausgeber (enthält sich der Stimmen für Titel aus dem Suhrkamp-Verlag)



Meisterhafte Erzählkunst

Jean-Christophe Grangé
Due marmornen Träume
Ü: Ina Böhme
Tropen, 688 S.

Platz 10

Berlin am Vorabend des Zweiten Weltkriegs: Atmosphärischer Roman und beklemmender Thriller

Jean-Christophe Grangé hat seinen ersten historischen Roman verfasst und legt möglicherweise sein bisher stärkstes Buch vor: Simon Kraus ist Psychiater und Psychoanalytiker in Berlin. Aus Bayern stammend hat der extrem gutaussehende und charmante, zu seinem eigenen Unglück aber äußerst klein gewachsene Arzt seinen Platz in der Angstgesellschaft der Nationalsozialisten gefunden. Er spielt das Großmaul und den Schlaumeier, der die Nazis im Grunde verachtet und der es gleichzeitig versteht, sich von den gelangweilten Gattinnen der braunen Schurken beschützen zu lassen: Erst verführt er sie, anschließend erpresst er sie. Und verdient somit noch besseres Geld als mit seiner Arbeit als Psychiater. In Anbetracht der aktuellen politischen Situation ahnt er, dass seine perfiden Spiele nicht mehr lange gut gehen können. Als eine seiner Klientinnen ermordet wird, stellt sich die Gestapo bei ihm ein und er gerät immer tiefer in die Mordermittlungen.

Von der ersten Seite an schwelen Grauen, Ängste und Geheimnisvolles genauso wie die Faszination am Bösen. Grangé versteht sich auf brillantes Erzählen, auf das Erschaffen von Atmosphären und Zwischentönen. Seitenstarke, dichte Lektüre und höchste Erzählkunst! (Karoline Pilcz)


Spiel mir das Lied vom Mord

J. Todd Scott
Weiße Sonne

Ü: Harriet Fricke
Polar, 496 S.

Platz 9

Ein harter Thriller mit Western-Anklängen, psychologisch fein ausgeleuchtet

Im Texas des Jahres 1999 erweist sich Texas Ranger Bob Ford auch nach Dienstschluss als Gentleman. Natürlich hält er am Straßenrand, wo eine junge Frau verloren neben ihrem offenbar nicht mehr fahrtauglichen Auto steht. Bob kennt sie vom Sehen, sie ist Bartänzerin im »Aces«, wo auch Cops gern verkehren. Bob macht sich nichts vor – eine Lady ist sie nicht, sie scheint auf Drogen zu sein – und so weit der Vater eines Jungen das einschätzen kann, ist sie schwanger. Bob Fords gutmütige Hilfestellung wird die letzte seines Lebens sein. Die Panne ist ein inszenierter böser Hinterhalt, den der Ranger nicht überleben wird.
Schnitt. 15 Jahre später. Sheriff Chris Cherry übernimmt nach dem Tod seines korrupten Vorgängers das Amt in Big Bend County. Dass er an allen Ecken und Enden aufzuräumen hat, ist eine Untertreibung. Als sich auch noch in der Geisterstadt Killing eine Neonazitruppe ansiedelt, um ihre Ideologie von White Supremacy in einer »Kirche der Reinheit« umzusetzen, wird es eng. Dabei handelt es sich nur um die Umrisse der Probleme, die sich wie ausgebleichte Knochen im Sand abzeichnen. Es geht alles tiefer, wurzelt in der Vergangenheit, vergiftet die Gegenwart und hat viel mit zerbrochenen Bindungen zu tun. (Sylvia Treudl)


Otto Mops mordet

Stefan Slupetzky
Lemmings Blues
Haymon, 200 S.

Platz 8

Lemming ist auf den Hund gekommen.

Es ist Sommer. Die Familie, namentlich Frau und Spross, sind in Amsterdam und der Lemming weilt in Wien, allein. Da kann der Lemming noch so sehr sinnieren und die Füß’ auf den Tisch legen, es hilft nix, es ist zum Einschlafen langweilig. Und das muss der Lemming dann schließlich auch wörtlich genommen haben, weil sonst gibt’s das ja nicht: eine waschechte Marienerscheinung – schwebend – mit Mops, sprechend. Reichlich fragwürdig das alles und hart zu knacken, hart wie Stein. Weil später, nachdem sich der Lemming mit dem Mops am Schreibtisch zur Ruhe gebettet hat, weigert sich das Tier auch nur ein Wort von sich zu geben.
Aber so leicht wird ein waschechter Slupetzky nicht zu einem Steinfest und obwohl sich noch reichlich amüsant-gefährliche Bekanntschaften anbahnen, Kopfnüsse auf die einfachste Art gelöst werden und Bäumen endlich die Liebe zuteilwird, die sie eigentlich verdienen, scheint sich doch mit der Zeit alles auflösen zu wollen – ob in einer Feuersbrunst, in Wohlgefallen oder gar in beidem, das klärt sich erst nach leider gar nicht so zahlreichen aber dafür umso unterhaltsameren und – und das kann nur der Herr Slupetzky – gemütlich-spannenden Seiten. (Johannes Kößler)


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