Eine Dystopie mit ungewöhnlichem Ausgang? Oder die Geschichte eines Fakes im Fake in einer ohnehin kaum noch auf Wahrheitsgehalt zu überprüfenden übertechnologisierten Welt? Aldermans »The Future« ist jedenfalls lesenswert.


Nach ihrem international höchst gefeierten Titel »Die Gabe« legt Naomi Alderman mit ihrem neuen Band eine Version der nahen Zukunft vor, die mehr als beunruhigend ist: Sie ist vorstellbar.

Die Welt wird gebeutelt von Chaos und Krieg, Hongkong ist auch für die von dort stammende Lai Zhen nur noch eine bittere Erinnerung, und ihr junges Leben wird geprägt vom Tod der Mutter und von langen Aufenthalten in Flüchtlingslagern, bis sie endlich eine Ausreisegenehmigung erhält. Intelligent und hoch gebildet verdingt sie sich schließlich weltweit als Survival-Expertin. Ob dieser Job in einem globalen Umfeld, in dem längst nicht mehr Regierungen das Sagen haben, sondern Technologiekonzerne, noch etwas bedeuten kann, ist ihr selbst nicht klar. Denn die Frage lautet nicht mehr, ob der Weltuntergang kommt, sondern wann. Es dürfte am Tag X nur sehr wenige Menschen geben, die über ausreichende Mittel und Möglichkeiten verfügen, um jahrelanges Ausharren in entsprechend ausgestatteten Schutzräumen aushalten zu können. Als der Tag schließlich da ist, kommt es dennoch anders.

Naomi Alderman kreiert eine sehr komplexe Geschichte, voller Volten und Wendungen, in der nie auf den ersten Blick zu erkennen ist, welche Motivation die handelnden Personen antreibt. Wem kann man vertrauen, wer lügt sich den eigenen Vorteil herbei, wer will sich ernsthaft um »das Gute« kümmern. Nur eines wird klar: Als es zu einer Situation kommt, in der vier Personen aufeinander angewiesen sind, weil es um das nackte Überleben geht, verhalten sich drei von ihnen schlicht archaisch. Leser/innen müssen sich auf diese Story einlassen, hier und da vielleicht auch Längen in Kauf nehmen – lohnend ist die Lektüre in jedem Fall, und auch wenn man den Passagen mit den biblischen Chatroom-Auszügen eventuell nicht besonders viel abgewinnen kann: Man sollte sehr genau das ausgesprochen gelungenene Cover betrachten, das darauf Bezug nimmt.

Naomi Alderman
The Future
Ü: Barbara Ostrop
Heyne, 544 S.