Jazz ist nicht politisch, er wird politisiert, sagt Peter Kemper.


Die Ressourcen für die Energie zum Widerstand und Kampf gegen Diskriminierung sind nicht explizit im oder aus dem »Sound of Rebellion« erkennbar, wie Peter Kemper akribisch beschreibt. Sie mobilisieren sich im Medium Jazz als Reaktionen, Klangbegleitungen und -artikulationen zur Unterstützung etwa der Emanzipation und Gleichberechtigung afro-amerikanischer Bürger/innen. Ist der Kontext nicht genannt oder bewusst, bleibt Ratlosigkeit, wie folgendes Zitat von Bill Lawson belegt: »Ich muss zugeben, dass ich nichts davon in Art Blakeys Drum-Solo hören würde, wenn ich nicht wüsste, dass diese Komposition als Blakeys Hommage an die Freedom Riders (Protestaktionen gegen Segregation) gedacht war.« Dennoch: eine politische Ästhetik des Jazz ist nachweisbar, etwa an vokalen Instrumentaleffekten afrikanischer Provenienz, die europäischen Spieltechniken fremd sind. Entlang einer Chronologie der Stile bis in die Gegenwart und deren prominenter Persönlichkeiten erläutert Kemper paradigmatisch die Korrelationen von etwa Civil Rights Movement und Jazzentwicklung im Sinne von Stimulus und Reaktion, wobei die Positionen der Personen nicht unbedingt als eindeutige Chiffre in der Musik zu identifizieren sind: »Jazz ist nicht sui generis politisch, sondern wird nur zu gern politisiert« – Risiken des Scheiterns inklusive. So seine diskutable Quintessenz, die Peter Kemper aus sorgfältiger Recherche, fundierter Argumentation und doch skeptischem Skrupel eines »alten weißen Mannes« aus Europa als Autor zu bieten hat.

Peter Kemper
The Sound of Rebellion. Zur politischen Ästhetik des Jazz
Reclam, 752 S.