Erica Johnson Debeljak berichtet über den Schock und die ersten Jahre nach dem Unfalltod ihres Mannes Aleš Debeljak und beleuchtet dabei die Kultur der Witwenschaft.


Ein Amselpaar baut vor dem Küchenfenster der fünfköpfigen Familie in Lubljana sein Nest. Bald darauf erreicht die Ehefrau in San Fransisco, wo sie ihre Mutter besucht, die Nachricht vom plötzlichen Tod ihres Mannes und sie schreit auf: »Ich werde verelenden«. So sehr sie dieser panische Schrei nachträglich beschämt, so genau beschäftigt sie sich mit dem Elend der Witwenschaft. Vom hinduistischen Brauch der Witwenverbrennung über alttestamentarische Figuren bis zu literarischen, wie der Mutter von Shakespeares Hamlet, Gertrude. Im Lauf der rund 250 Seiten erinnert sie sich sehr präzise an einzelne Gespräche während des Anfangs ihrer Witwenschaft und etwas rudimentärer an den Beginn dieser Beziehung vor fünfundzwanzig Jahren in New York City. Nach dem ersten Schock kommen die Amtswege, dann erst die Tränen. Gegen Ende des Buches resümiert sie »Wir alle flüchten uns in eine Art magisches Denken, wenn die Wahrheit so grausam und unerbittlich ist«, und schafft damit eine Verbindung zu ihrer kalifornischen Schriftstellerkollegin Joan Didion und deren Traueraufarbeitung »Das Jahr des magischen Denkens«. Der Ausdruck »verhurt« im Titel ist etwas überzogen, geht es doch nur darum, dass es auch nach diesem Einschnitt wieder möglich sein kann, zu begehren. Noch ein Aspekt, der in den Erinnerungen verstörenden Raum nimmt, ist, dass der Unfallhergang nie ganz geklärt werden kann. Auf Wikipedia liest man: »Am 28. Januar 2016 verunglückte er bei einem Autounfall auf der slowenischen Autobahn A1 bei Peračica unter ungeklärten Umständen tödlich.«

Erica Johnson Debeljak
Verliebt, verheiratet, verwitwet, verhurt
Ü: Metka Wakounig
Marix, 256 S.