Bernhard Schlink schlägt melancholisch-stille Töne an: »Das späte Leben«.


Der pensionierte Jurist Martin ist sechsundsiebzig, mit der viel jüngeren Malerin Ulla verheiratet und später Vater eines sechsjährigen Sohnes, als er erfährt, dass er nur noch wenige Monate zu leben hat. Lässt sich am Ende nachholen, was man bisher verabsäumt hat? Was ist wichtig im Angesicht des Todes? Noch einmal das Meer sehen und dann sterben: Martin möchte seinem Sohn etwas Bleibendes hinterlassen – eine Erinnerung, die David einmal durchs Leben tragen soll. Doch der Brief, den er ihm schreibt, ist vielleicht nur Ablenkung vom Unabänderlichen und macht es seinem Kind und seiner Frau nur noch schwerer. Wie sollen sie weiterleben, wenn er seinen Sohn zu einem Abbild seiner selbst zu formen versucht? Welches Recht hat er, sich in die Zukunft seiner Frau einzumischen? Ulla wuchs ohne Vater auf und fühlte sich deshalb wenig geliebt. Und doch wird ihr Martin vor seinem Tod ein Geschenk machen, das sie ihm nie mehr vergessen wird.

Schlinks Prosa lässt keine falsche Sentimentalität aufkommen. »Das späte Leben« ist kein verzweifeltes oder kitschiges Buch. Martin wird sich seiner Gefühle erst mit Verzögerung bewusst. Die Diagnose erträgt er mit Fassung. Am glaubwürdigsten wird er in den kostbaren Momenten mit seinem Kind. Und vielleicht ist das die wichtigste und schwierigste Lektion, die es jetzt noch zu lernen gilt: Dass Liebe verzeiht, loslässt und die eigene Existenz übersteigt.

Leben, als ob jeder Tag der letzte sein könnte – das gelingt im Alltag nicht oft. Aber er hatte getan, was er tun konnte, mehr war nicht, heißt es im Buch. Versöhnende Worte und ein leiser Abschied.

Bernhard Schlink
Das späte Leben
Diogenes, 240 S.