Die Nürnberger Prozesse aus Sicht der Berichterstatter – viele von ihnen berühmte Literat/innen


1946 stehen die Überlebenden der NS-Spitze vor Gericht. Der Hauptanklagevertreter der USA, Robert H. Jackson, erklärt zum Prozessbeginn: »Dass vier große Nationen nicht Rache üben, sondern ihre Feinde dem Richterspruch des Gesetzes übergeben, ist eines der bedeutsamsten Zugeständnisse, das die Macht jemals der Vernunft eingeräumt hat.« Und in der Tat wurde hier Weltgeschichte geschrieben – vor allem, weil ein neues Kapitel im Völkerrecht aufgeschlagen wurde: Führung von Angriffskriegen und Verbrechen gegen die Menschlichkeit waren nun erstmals als Straftaten Gegenstand eines Gerichtsverfahrens, in dem die Entscheidungsträger juristisch zur Verantwortung gezogen wurden. Folgerichtig entsandten Medien aus aller Welt Berichterstatter/innen in die Frankenstadt, um dem historischen Ereignis beizuwohnen. Die Schilderung dieser sachlichen Verhandlung schlimmster Gräuel war eine Herausforderung, der sich vor Ort jedoch als Journalist/innen zahlreiche Persönlichkeiten stellten, die man heute vielmehr als Schriftsteller/innen kennt – u. a. Erika Mann, Alfred Döblin, Erich Kästner, George Orwell oder John Dos Passos. Viele von ihnen liefen sich dabei im großen Presselager – dem Schloss der Familie Faber-Castell – über den Weg. Uwe Neumahr hat fleißig zahlreiche Anekdoten dieses zufälligen Literaturgipfeltreffens zusammengetragen und schildert aufregende Monate geprägt von an Schreibmaschinen durchwachten Nächten und alkoholbefeuerten Diskussionen angesichts der bösen Geister auf der Anklagebank.

Uwe Neumahr
Das Schloss der Schriftsteller. Nürnberg ’46 – Treffen am Abgrund
C.H.Beck, 304 S.