Eine kritische, sensible und wohl auch schmerzhafte Spurensuche.


Anne Weber, in Offenbach geboren, lebt als freie Autorin und Übersetzerin in Paris. Für ihr Buch »Annette, ein Heldinnenepos« wurde sie mit dem Deutschen Buchpreis 2020 ausgezeichnet, ihr Titel »Ahnen« (2015) wurde nun neu aufgelegt.

Was als intensive Beschäftigung mit dem Urgroßvater Florens Christian Rang beginnt, weitet sich aus zur Befassung mit drei Generationen männlicher Vorfahren, markiert von einem besonderen Status innerhalb der eigenen Familie.

Anne Weber macht es sich schwer – und das bedingt den seriösen, mäandernden Duktus des gesamten Textes, der sich immer wieder selbst hinterfragt, akribisch die sprachliche Annäherung an das Thema prüft, Schleifen auslegt, zurückkehrt, die enorme Recherchearbeit dokumentiert, Faktisches mit poetischen Impressionen verbindet.

Florens Christian Rang (1864–1924) war Jurist, Theologe, Pfarrer, Geheimrat, Übersetzer, Dichter, politischer Philosoph, die Einträge in seinem Adressbuch verzeichnen u. a. Walter Benjamin, Martin Buber, Hugo von Hofmannsthal. Wer war dieser Zweifler, der sich wütend mit Gott anlegt, dessen letzte Publikation (»Deutsche Bauhütte«, 1924) die Deutschen – und zwar jedes Individuum – zur Reparation gegenüber Belgien und Frankreich aufruft (!), der sich andrerseits zu einem Tagebucheintrag (1903 oder 1904) hinreißen lässt, welcher der Urenkelin den Atem verschlägt? Wer war sein Sohn, dieser aufgeblasene Kleinbürger und Nazikollaborateur, wie ist es um das Schweigen von Webers Vater bestellt? Ein forderndes, wichtiges Buch – jenseits von Stolz und Vorurteil.

Anne Weber
Ahnen
Matthes und Seitz, 260 S.