Anne Freytag geht in ihrem neuen Roman der Wahrheit auf den Grund. Es ist kein autobiografisches Werk und doch taucht sie dabei tief in den Fundus eigener Erfahrungen. Buchkultur-Kinder- und Jugendbuchredakteurin Andrea Wedan hat mit der feinsinnigen Münchner Autorin gesprochen. Foto: Studio Tasca.
Buchkultur: Das neue Buch „Das Gegenteil von Hasen“ hat mich wieder einmal beeindruckt – Ihr Buch war wie immer ein Fest. Das große Thema, das es behandelt ist die Wahrheit. Also lassen Sie uns über die Wahrheit sprechen.
Doch zum Einstieg möchte ich gerne wissen, wo sie aufgewachsen sind – wo sind Sie zur Schule gegangen und wie sind Sie zum Schreiben gekommen? Gab auch ein Leben vor dem Schreiben?
Anne Freytag: Ja, das gab es. Viele Umwege und Sackgassen, in die ich ziemlich lang und genauso vehement gegangen bin. Nicht meinen Weg, sondern einen – eben den, von dem ich dachte, dass ich ihn gehen sollte. Für „sollte“ war ich ohnehin recht anfällig, weil ich alles richtig machen wollte. Ich bin in München zur Schule gegangen und habe am Käthe-Kollwitz-Gymnasium Abitur gemacht – ja, hier und da fließt eben doch etwas von mir in die Geschichten ein. Nach meinem Abschluss bin ich nach Australien geflohen, weil ich nicht wusste, was ich mit meinem Leben anfangen soll. Zu viele Möglichkeiten und damit einhergehend die unerträgliche Angst davor, womöglich die falschen Entscheidungen zu treffen – Rosa, meine Protagonistin aus „Mein Leben basiert auf einer wahren Geschichte“ (Heyne fliegt) lässt grüßen. Und genau das habe ich getan – eine nach der anderen. Zu meiner Verteidigung muss ich sagen, dass ich sie immer aus den richtigen Gründen getroffen habe. Jede einzelne führte weg von meinen Träumen – und so lange im Kreis herum, bis ich schließlich wieder bei ihnen ankam. Ich habe die Umwege gebraucht. Zwei Studiengänge, Auslandssemester, Handelskammerprüfungen – und dann die Wirtschaftskrise 2008/2009. Es war eine Punktlandung, die mich, diesmal ohne Umwege, in den Einzelhandel führte. Und was habe ich da nicht alles gelernt! Über Menschen und Hackordnungen, übers Pleite-sein – und über mich. Seitdem kann ich richtig verkaufen, egal was, auch wenn’s keiner braucht. Ich kann Fremde ansprechen, in ihnen lesen, sie analysieren. Man könnte sagen, ich habe eine Zusatz-Ausbildung durchlaufen – die mich nach und nach depressiv machte. Die Stationen im Anschluss lauteten: Bewerbungen geschrieben, Zusage erhalten, gekündigt, Absage erhalten, Arbeitsamt, Hartz IV, Umschulung zur Grafikdesignerin, Selbstständigenförderung, Selfpublishing. Nach nur drei Monaten konnte ich vom Schreiben leben. Kurz darauf kam eine Agentur auf mich zu – witzigerweise eine von denen, die auf meine Anfrage Jahre zuvor nie geantwortet hatte – und dann die Verlage. Es wurde nicht mit jedem die große Liebe, aber ich habe viel gelernt. Eine Agentur und ein paar Verlage später bin ich nun nah an „Angekommen“.
Man wird in Ihren Büchern so ganz nebenher mit vielen Dingen, oft wunderbaren Kleinigkeiten beschenkt, mit seltenen unbekannten Wörtern, mit interessanten Menschen oder auch mit wunderschönen Musikstücken und Liedern. Sehen Sie das auch als Geschenk an Ihre Leser, oder ist es einfach Ihre Art zu schreiben oder eine Geschichte zu erzählen?
Wenn ich schreibe, läuft in meinem Kopf ein Film, ich beschreibe, was ich sehe und empfinde, was die Figuren fühlen, was in ihnen vorgeht. Das funktioniert besonders gut mit Musik – und das in jeder Hinsicht: Für mich beim Schreiben, um mich in die Situationen und Emotionen hineinzuversetzen, und auch, um den Leser zu erreichen. Abgesehen davon, verraten solche Details viel über die Charaktere – welche Musik sie mögen, was für Wörter sie gebrauchen, was sie essen und trinken, welche Filme/Serien sie schauen – es sind diese alltäglichen, vielleicht sogar fast oberflächlichen Dinge, die besonders viel preisgeben, ohne viel preiszugeben. Schließlich sagt man ja nur, welche Musik jemand gern hört – und doch sagt man damit so viel mehr. Ich glaube, das macht meine Figuren für mich erst lebendig und in meinem Kopf damit echt. Für mich gibt es diese Menschen. Es sind ihre Geschichten und meine Worte.
In „Das Gegenteil von Hasen“ geht es um Wahrheit und ich möchte es vielleicht sogar noch weiter ausdehnen – es geht um Wahrhaftigkeit. Um junge Menschen, die auf dem Weg sind, sich selbst zu finden.
Da war diese Stelle: „Mit ihm zusammenzukommen war wie eine Beförderung. Als wäre ich von einem Tag auf den anderen im Wert gestiegen“.
Haben wir das nicht alle mal gemacht – uns verglichen, uns gewunden, verstellt, ja vielleicht sogar manchmal verleugnet, um „dabei“ zu sein? Um in unserem Wert zu steigen? Wie erinnern Sie sich an diese Zeit der Selbstfindung?
Ich glaube, das hört nie wirklich auf – leider. Ich würde sogar so weit gehen zu sagen, viele Menschen tun das ein Leben lang. Ich selbst war immer in diesem unbequemen Spagat gefangen zwischen Gefallen-wollen und möglichst Eckig-sein. Ich war nie eine von den wirklich Beliebten, ich fand die meistens doof, wollte aber trotzdem, dass sie mich auf ihre Partys einladen – vielleicht auch nur, damit ich absagen kann.
Wenn ich diese Zeit der Selbstfindung in nur einem Wort beschreiben müsste, so wäre es extrem. Extrem glücklich, extrem traurig, extrem unbeschwert, extrem frei. Ich hatte Spaß, habe gelitten wie Hund, mich abgrundtief verliebt, ich dachte, ich würde an gebrochenem Herzen sterben. Es war tragisch und komisch und dramatisch und von allem zu viel. Wenn ich zurückblicke, ist diese Zeit unglaublich nah und wahnsinnig weit weg. Durch meine Geschichten besuche ich meine Gefühle von damals. Und dann freue ich mich, wieder im Jetzt aufzutauchen.
Warum macht uns die Konfrontation mit der Wahrheit auch unsicher?
Was braucht es, um die Komfortzone zu verlassen und sich der Wahrheit zu stellen? Und ab wann meinen Sie, wird diese Unsicherheit dann von dem Gefühl der Befreiung abgelöst?
Wir reden von der Wahrheit, als wäre sie eine absolute Größe, aber das ist sie nicht. Es gibt so viele Wahrheiten wie es Menschen gibt. Jeder sieht seine durch eine Reihe von Filtern: eigene Erfahrungen, Erwartungen, Hoffnungen. Die Einschätzung einer Situation kann vollkommen gegensätzlich ausfallen, je nachdem, wer sie beschreibt – und jeder wird beteuern, dass er die Wahrheit sagt. Die Konfrontation damit macht uns deswegen unsicher, weil wir abgleichen müssen, ob die Aussage mit unserem Wertekodex übereinstimmt. Und das bedeutet, dass wir uns damit und mit uns selbst auseinandersetzen müssen. Und das wiederum bedeutet, dass wir vielleicht auf etwas stoßen, das wir nicht sehen wollten, weil unsere vermeintliche Wahrheit vielleicht doch nur eine Lüge war, die wir uns erzählt haben, um Schmerz zu vermeiden.
Was die Komfortzone angeht: Um die zu verlassen und sich der Wahrheit zu stellen, braucht es meiner Meinung nach die richtigen Menschen und das eigene Tempo. Ich glaube, nicht die Zeit muss reif sein, sondern man selbst. Mit jedem Schritt, den man sich näherkommt, wird man auch freier – und unabhängiger von außen.
Bei einem Satz hab ich heftig genickt – nämlich „Viele Wahrheiten, die oft nur für einen Moment gestimmt haben.“ Können sich Wahrheiten ändern oder zimmern wir sie uns einfach nach Befindlichkeit zurecht? Wie dehnbar darf Wahrheit denn sein?
Ich glaube, das hat viel mit Verantwortung zu tun – damit, ob jemand sie übernimmt oder eben nicht. Wenn man es nicht tut, wird man sich die Wahrheit tendenziell eher so zurechtlegen, wie man sie braucht, um sein eigenes Handeln vor sich und anderen zu legitimieren. Das passiert natürlich nicht bewusst, niemand setzt sich hin und bastelt sich die Wahrheit gezielt zusammen. Man ist ja ohnehin überzeugt davon, dass es DIE Wahrheit ist, diese eine, die absolute. Dafür kann man sie dann schon auch mal ein bisschen dehnen – wenn am Schluss dabei rauskommt, dass man nichts dafür kann – wofür auch immer.
Sex ist in Ihren Büchern immer ein wichtiges Thema und es geht da auch oft ganz schön zur Sache. Sicher ein schwieriges Thema beim Schreiben, aber die Art, wie Sie das machen, ist so wunderbar wie ungewöhnlich. Warum sind Ihnen diese Szenen in ihren Büchern wichtig?
Im neuen Buch wird auch ziemlich viel gelogen beim Sex. Bei den jungen genauso wie bei den Älteren. Wieso ist es so schwer über sich und seine Bedürfnisse offen zu sprechen? Woher kommen diese Schranken in unseren Köpfen?
Ich schätze, weil wir einer Lüge glauben, nämlich, dass wir wissen (sollten), wie guter Sex geht. Immerhin haben wir es doch gelernt durch Filme und Serien, durch Bücher und Pornos – und die (halbgelogenen) Geschichten von unseren Freuden. Im Bett – oder dem Auto, der Waschküche, dem Pool, im Büro – egal wo der Akt stattfindet, dort ist jedenfalls kein Platz für seltsame Furz-Geräusche, für peinliche Berührtheit, weil ein Kondom sich nicht abrollen lässt, für Dellen in Oberschenkeln und Dehnungsstreifen, für falsche Handgriffe oder blöde Fragen – Himmel, man hat Sex, man redet nicht darüber. Schon früher nicht. Und jetzt ist das nicht anders – die Gesellschaft over-sexed and under-fucked, und wir verwirrt, weil doch in den ganzen Romanen und Serien und Filmen, die wir schauen und lesen, alle immer gleichzeitig kommen, ja, beinahe das Bewusstsein verlieren, weil der Orgasmus so transzendierend ist. Der Typ weiß genau, was er tut, obwohl es ihm niemand erklärt hat, und das Mädchen ist nicht schüchtern, verklemmt oder unsicher – im Gegenteil, im Bett wird sie zum Biest, ist ruchlos, ein Naturtalent. Man kennt das ja.
Ich glaube, unsere Erwartungen sind die Schranken in unseren Köpfen – und die Bilder von Frauen, die unter der schlichten Berührung ihrer Brustwarze stöhnend vergehen. Manch eine Frau fragt sich dann vielleicht, was mit ihren Brustwarzen (oder mit ihr generell) nicht stimmt, aber sie fragt es nicht laut, hinterfragt es nicht – nur sich selbst, heimlich still und leise.
Für die meisten von uns ist es leichter, sich zu entblößen, als sich die Blöße zu geben, einen perfekt inszenierten Akt mit den eigenen Bedürfnissen zu ruinieren. Stöhnen hat da schon so manches Problem gelöst. Vielleicht wird es ja beim nächsten Mal besser, beim nächsten Kerl, vielleicht weiß der ja endlich, wie es geht. Oder auch nicht, weil keiner darüber redet. Wir tun es sonst ohne Unterlass, nur wenn es um Sex geht, verfallen wir plötzlich in ohrenbetäubendes Schweigen.
Aus diesem Grund ist es mir wichtig, darüber zu schreiben. Über die Gedanken, über die Unsicherheit, über die Angst davor, das Falsche zu sagen oder zu tun oder zu wollen. Der große Vorteil an Romanen ist ja, dass man in fremde Köpfe schauen kann, dass man weiß, was sie fühlen und denken, dass man dann selbst oft denkt: Genau so ist es bei mir auch gewesen. Wenn man sich verstanden fühlt, weiß man, dass man nicht allein ist. Und manchmal reicht das schon, um die Lüge als solche zu enttarnen.
Und natürlich gibt es dann auch noch den Betrug. Julia gibt Linda den Rat, Edgar nichts davon zu erzählen, dass sie ihn betrogen hat, und sagt: „Dir tut es weh. Aber du weißt, dass du es verdient hast.“ Ist die Unwahrheit in bestimmten Bereichen auch gerechtfertigt?
Ja, dafür werden viele Leser/innen mich hassen – für den Betrug. Vielleicht, weil sie noch an die eine wahre Liebe glauben. Und das sollen sie, den Glauben daran will ich niemandem nehmen. Mir ist im Laufe der Jahre aufgefallen, dass Jugendliche sehr moralisch sind, dass sie in Werten wie richtig und falsch denken und wenig Toleranz für die Graustufen dazwischen mitbringen – und ich verstehe das, ich war selbst so. Ich würde sogar behaupten, ich bin es in vielerlei Hinsicht noch immer. Aber mein Kompass hat sich dahingehend verschoben. Ich glaube nicht, dass jede Lüge schlecht ist. Ich glaube, es gibt gute Lügen, Lügen, die andere davor schützen, Schaden zu nehmen. Selbstlose Lügen, wenn man so will.
Ich selbst bin kein Freund von Seitensprüngen. Trotzdem sind sie Teil der Realität. Sie passieren, auch wenn uns das nicht passt. Wenn jemand einen Fehler macht und den dann beichtet, warum genau tut er es? Der Fehler wird damit nicht behoben, die Tat nicht rückgängig gemacht, der Verrat ist begangen, der Betrug längst geschehen. Warum also? Was steckt dahinter? Durch eine Beichte wird nichts wieder gut. Sie dient lediglich der Erleichterung eines schlechten Gewissens. Sie macht, dass es dem „Betrüger“ besser geht, weil er ehrlich war. Doch wenn es wirklich ein Fehler gewesen ist, ein Ausrutscher, eine einmalige Sache, etwas, das nie wieder passieren wird, warum dann überhaupt darüber reden? Warum etwas in einem anderen Menschen kaputtmachen, einfach so? Ich für meinen Teil würde es nicht wissen wollen.
Es geht in Ihrem Buch aber auch um Rache, und es gibt viele, die Grund für Rache hätten. Wer von uns hat noch nie heimlich Rachepläne geschmiedet – die tun doch irgendwie gut. Aber, was meinen Sie: Wie weit darf Rache gehen?
Ich glaube, so lange sie nur im Kopf stattfindet, darf sie sehr weit gehen, weil sie einem etwas aufzeigt, wenn man bereit ist, hinzusehen. Über den Kopf hinaus hingegen, wird sie oft zum Problem. Weil dann ist ein Gegenüber da, ein reales, fühlendes Wesen. Im eigenen Kopf ist da niemand außer einem selbst. Da kann man sich austoben, in der Realität fühlt man sich jedoch nur selten besser, wenn man Rache geübt hat. Man denkt, man würde es, aber so ist es nicht. In solchen Situationen geht für gewöhnlich keiner als Sieger vom Platz. Doch im Kopf bin ich voll dafür. Da kann sie einem helfen, die Rache – im besten Fall über das Gefühl hinweg.
Es gibt da einen Spruch, der mir beim Lesen am Ende spontan einfiel – ich weiß nicht, ob Sie den kennen, der lautet: „Eigentlich bin ich ganz anders, ich komm nur so selten dazu“. Der passt auf viele Protagonisten in der Geschichte – und bestimmt auch auf einige Leser.
Wieso fällt es uns so schwer, wir selbst zu sein? Wieso ist es so schwierig überhaupt dahinter zu kommen, wer wir sind? Basiert die Selbstlüge darauf, dass wir die Wahrheit nicht erkennen oder nicht erkennen wollen?
Der Spruch gefällt mir sehr gut. Und nein, ich kannte ihn nicht. Was die Selbstlüge angeht, ich würde sagen, die basiert auf der tiefsitzenden Angst, abgelehnt zu werden, wenn wir jemandem zeigen, wie es wirklich in uns aussieht. All die Ecken und Kanten und Charakterzüge, die wir selbst an uns nicht leiden können. Wir werden zugemüllt mit Meinungen, sie hüllen uns ein, Schicht um Schicht. Was und wie man sein sollte, was richtig ist und was falsch, welche Lebensmodelle erstrebenswert sind und welche nicht. Wir wollen es allen recht machen. Das beginnt schon bei unseren Eltern, danach dann in Beziehungen und im Job. Ist Ihnen schon mal aufgefallen, wie gern Eltern mit ihren Kindern angeben? Von klein auf? Wie sie erzählen, was ihre Kinder alles können? Wie gut sie in der Schule sind und später wie erfolgreich im Beruf? Anwälte, Richter, Ärzte, Investmentbanker? Wir werden nicht dazu erzogen, glücklich zu sein, wir selbst und im Hier und Jetzt. Wir werden dazu erzogen, zu gefallen: der Gesellschaft. Dem man. Mehr noch, andere zu beeindrucken, besser zu sein als sie. Dünner, erfolgreicher, reicher … Ich mache den Eltern keine Vorwürfe, sie meinen es nicht böse, ganz im Gegenteil, oft wollen sie nur, dass wir es guthaben, dass wir abgesichert sind, dass es uns an nichts fehlt. Wenn wir Anwälte, Richter, Ärzte und Banker sind, haben sie das Gefühl, dass wir genau das erreicht haben. Aber in uns drin sieht es oft ganz anders aus. Ein volles Konto und ein leeres Herz. Ich glaube, dass das, was andere über uns denken (könnten), nicht selten das überschattet, was wir von uns halten. Es überschattet, wer wir sind.
Ich glaube, dass man man selbst zu sein und man selbst sein zu dürfen, genauso lernen muss, wie laufen, sprechen und Fahrrad fahren – nur, dass uns das leider niemand beibringt. Das müssen wir selbst tun. Und es uns auch selbst erlauben.
„Wir sind nun mal empfänglich für die Lügen, die in unser Weltbild passen.“ Dieser Satz passt ja auch ganz gut in die Zeit, die wir gerade durchleben. Menschen sind, wenn sie Angst haben, natürlich auch besser manipulierbar, und die Wahrheit ist oft schwer zu erkennen.
Sind wir nicht dazu geneigt, dass wir oft lieber das glauben, was uns schmeichelt, was uns ein gutes Gefühl gibt oder was uns gerade so in den Kram passt?
Das weiß ich nicht. Ich denke, die Angst dominiert ganz unabhängig von Wahrheit oder Lüge. Es hat mehr mit Vertrauen zu tun – Selbstvertrauen, und Vertrauen dem System/der Regierung gegenüber. Davon hängt ja letztlich ab, ob wir das, was man uns sagt, als Wahrheit annehmen. Dementsprechend sind Aufklärung, Bildung und Vertrauen – auch in die eigene Einschätzung einer Situation – entscheidend. Ohne diese Attribute sind wir sehr leicht lenkbar, werden zur Herde, die blindlings losläuft. Aber da hätten wir auch wieder die Frage, was Wahrheit eigentlich ist – denn nur allzu oft sind diejenigen, die so vermeintlich kluge Dinge von sich geben, ja überzeugt davon, dass es die Wahrheit ist. Und wenn wir ihnen vertrauen, neigen wir dazu, es zu glauben, ganz gleich, ob es stimmt. Das ist ja das Gefährliche an der Wahrheit: Sie hat so viele Gesichter.
Ein Wunsch für die Zukunft?
Inspiration, Gelassenheit und innere Ruhe.
—
Anne Freytag, geboren 1982 in München, hat International Management studiert und als Grafikdesignerin gearbeitet. Für ihre Romane wurde sie bereits mehrfach für den Deutschen Jugendliteraturpreis nominiert und unter anderem mit dem Bayerischen Kunstförderpreis in der Sparte Literatur ausgezeichnet. Sie lebt mit ihrem Mann in München.
„Das Gegenteil von Hasen“ (Heyne fliegt),
416 S. Ab 14 Jahren.