Zuversicht beim Thema Klimakrise? Der Energiewende-Experte Roger Hackstock macht seinen Buchtitel zum Programm: Mit »Wie wir die Welt retten, ohne uns dauernd Sorgen zu machen« möchte er der Hoffnungslosigkeit ein Schnippchen schlagen. Foto: Foto Wilke.
Buchkultur: Herr Hackstock, in Anbetracht aktueller Regierungen, bösartiger Öl-Lobbys oder eines Trumps, der bereits Erkämpftes ohne mit der Wimper zu zucken wieder rückgängig macht (Stichwort: Papierstrohhalme) – wieso sollte man sich im Kampf gegen den Klimawandel überhaupt noch engagieren, er scheint doch längst verloren?
Roger Hackstock: Lassen wir uns von Polterern wie Trump und anderen nicht verrückt machen. Ich kann mich noch gut erinnern, wie Trump im ersten Wahlkampf damals den Kohlegrubenarbeitern versprach, sie »werden nicht wissen wo ihnen der Kopf steht vor lauter Arbeit, wenn er ins Amt kommt«. In Wahrheit sind heute nur mehr ein Viertel der Kohlegruben von 2000 in den USA in Betrieb, weil Kohle einfach zu teuer geworden ist. Daran kann auch ein Populist nichts ändern. In Österreich haben drei Viertel der 100 größten Unternehmen sich ein konkretes Enddatum für Öl und Gas in ihrem Betrieb gesetzt. Von diesen Betrieben haben seit 2022 doppelt so viele die Ziele verschärft statt sie aufgeweicht, wie die Boston Consulting Group und KONTEXT erhoben haben. Warum machen das die CEOs? Ganz einfach um ihren wirtschaftlichen Erfolg langfristig abzusichern. Wir sind längst am Weg in eine klimaneutrale Zukunft, diesen Zug kann keiner mehr aufhalten, nur verlangsamen. Mittlerweile fordern selbst konservative Wirtschaftsverbände Kontinuität beim Klimaschutz ein, weil ihre Unternehmen bei jedem Richtungswechsel der Politik am Stand rotieren. Wir sollten weniger auf die Bremser achten und ihnen zuhören, dann kommen wir schneller ans Ziel.
Der Buchmarkt hat schon einige Bücher wie Ihres gesehen. Einige davon erwähnen Sie ja auch. Was war für Sie schlussendlich die ausschlaggebende Motivation, selbst das Zepter bzw. den Stift in die Hand zu nehmen und ein Sachbuch für die breite Öffentlichkeit zu schreiben?
Ehrlicherweise habe ich das Buch geschrieben, weil es mir gereicht hat. Ich arbeite für die Energiewende und stelle laufend fest, dass die klimaneutrale Zukunft in der Öffentlichkeit angstbesetzt ist, eine Belastung, nichts daran ist einladend und erfreulich. Mein Bild ist ein völlig anderes, ich freue mich über jede Solaranlage, jedes Windrad, jeden Radweg, jeden Biobauern, für mich sind das Beispiele einer besseren Zukunft, in der ich einmal leben will. Vermutlich rührt der Widerstand gegen Klimaschutz daher, dass uns die Sehnsucht nach einer klimaneutralen Welt fehlt. Irgendwann habe ich mich gefragt, ob uns Kunst und Kultur helfen können, diese Zukunft vorstellbar zu machen, ohne gleich in Dystopien zu verfallen. Ich fand wir brauchen mehr Humor bei der ganzen Sache und begann Beispiele in Literatur, Film, Musik, Ausstellungen und so weiter zu sammeln, wie mit dem Klimathema umgegangen wird. Daraus entstand die Idee für das Buch. Das erste Kapitel lautet nicht zufällig »Die Kunst der Veränderung«, ich hatte etliche inspirierende Begegnungen mit Künstlern und Künstlerinnen, die ins Buch eingeflossen sind.
Der Klimawandel hat ein Aufmerksamkeitsproblem. Nicht nur wird er von der weltpolitischen Gemengelage überschattet, wir wollen uns natürlich auch gar nicht erst mit ihm beschäftigen. Glauben Sie wirklich, der Mensch kann in der Hinsicht mit Humor überlistet werden, so wie Sie das im Buch propagieren?
Ich habe ein heiteres Buch zur Klimakrise geschrieben, was einige verwirrt, wie ich feststelle. Wir haben dreißig Jahre lang versucht, der Klimakrise mit Empörung und Verzweiflung zu begegnen. Die Treibhausgase sind weltweit dennoch gestiegen, das war nicht erfolgreich. Versuchen wir es daher einmal mit Humor und Gelassenheit, gehen wir Klimaschutz mit Selbstbewusstsein und Zuversicht an, ohne uns von Bremsern und Zweiflern beeindrucken zu lassen. Zuversicht heißt handeln, im Gegensatz zu bloßem Optimismus und der Hoffnung, das alles gut wird. Lassen wir das fossile Zeitalter lachend hinter uns und widmen uns konsequent den nachhaltigen Lösungen. Das verunsichert die »bösartigen Öl-Lobbys« mehr, als die zehnte Demo vor ihrer Konzernzentrale.
Wen wollen Sie speziell mit Ihrem Buch erreichen? Ist das Publikum von Büchern wie Ihrem nicht ohnehin schon ein aufgeklärtes? Müsste man nicht viel eher Bürger/innen erreichen, die sich noch nicht freiwillig kritisch mit Ihrer Umwelt auseinandersetzen?
Wenn ich Leuten vom Buchtitel erzähle, merke ich immer, wie ihnen ein Stein vom Herzen fällt. Endlich kein erhobener Zeigefinger und keine Moralkeule, kein Vorwurf und keine Schwermut. Sich keine Sorgen machen und trotzdem zum Ziel kommen, das wünschen sich viele. Im besten Fall werden sie neugierig und wollen wissen, wie das geht. Klimaschutz beschäftigt im Grunde viele Menschen, nicht nur meine Bekannten in der Klimaszene. Ich versuche im Buch beim Klimaschutz mit Erheiterung voranzukommen, in gelöster Stimmung, was uns vielleicht hilft auch ungewohnte Ansätze anzunehmen, wenn es um Veränderung geht. Denn Veränderung im Leben ist nicht per se schlecht, sonst würden wir mit 50 Jahren noch immer die Nächte durchfeiern wie mit 20, was wir aber klugerweise sein lassen, weil wir uns nicht mehr so schnell erholen.
Mit welchen drei Argumenten würden Sie mich für ein Aufeinandertreffen mit meiner klimawandelskeptischen, veränderungsresistenten Großtante ausrüsten, um sie von der Realität der Gefahren zu überzeugen?
Ich würde das bleiben lassen. Stattdessen würde ich sie auf eine Zugfahrt in einen Ort mitnehmen, wo ganz viel fußläufig erreichbar ist und sie in ein vegetarisches Restaurant einladen, ohne ihr die Ausrichtung des Lokals vorher zu verraten. Danach ein Verdauungsspaziergang am Ortsrand, wo man wie zufällig in der Nähe eines Windparks vorbeikommt, ohne ihn extra zu erwähnen oder darüber zu reden. Am Rückweg zum Bahnhof noch in ein Kaffee und sie staunend fragen, ob ihr auch die relativ vielen Solaranlagen auf den Dächern aufgefallen sind. Bei der Heimfahrt dann achselzuckend anmerken, dass es um diese Art Welt geht, für die man sich engagiert, weil man selbst sich darin einfach wohler fühlt. Der Tante dann selbst die Schlussfolgerung überlassen, ohne sie zu drängen. Mehr kann man nicht tun, denke ich.
Muss man sich als Politiker/in unbeliebt machen, muss man gegen das (demokratisch gewählte) Interesse einer breiten Masse vorgehen, um Klimapolitik zu machen? Oder anders gefragt: Fänden Sie ein antidemokratisches Handeln in klimapolitischen Fragen gerechtfertigt?
Die Frage ist amüsant, da gerade klimaschädliches Handeln mittlerweile antidemokratisch ist, wenn die Umfragen stimmen. Eine überwältigende Mehrheit fordert mehr politische Maßnahmen gegen die Klimakrise, egal welche Umfrage man aus den letzten Jahren heranzieht. Unbeliebt macht man sich, wenn man von den Menschen Veränderung verlangt, ohne ihnen den Sinn klarzumachen. Ich kann einen Windpark durchpeitschen, ohne irgendwen zu fragen, nur der Bürgermeister und der Grundeigentümer wissen Bescheid. Das provoziert automatisch eine Bürgerinitiative, die sich dagegen auflehnt. Für Skeptiker ist das der Beweis, dass Windkraft keiner haben will. Werden die Einwohner von vornherein informiert und eingebunden und wird der Nutzen des Windparks für die Gemeindekasse und die eigene Geldbörse einfach erklärt, finden sich praktisch immer Mehrheiten dafür. Die Menschen wollen einfach einen Vorteil aus der Veränderung ziehen, was auch verständlich ist. Der Wandel muss demokratisch erfolgen, nicht populistisch, dann kann er gelingen.
Klimawandel wird von der breiten Bevölkerung stark mit schlechtem Gewissen assoziiert, der/die kleine Konsument/in wird zur Verantwortung gezogen statt etwa große Ölunternehmen. Wie kann man als Durchschnittsbürger hier nicht die Hoffnung verlieren? Und vor allem: Was würden Sie einer solchen Person raten, welche Schritte sie setzen soll? Politisches Engagement? Striktere Mülltrennung? Mitmenschen beackern? Oder doch vegan leben?
Ich würde raten, nicht im Internet einen Fußabdruckrechner zu starten, um frustriert festzustellen, wie schlecht man dasteht. Alltägliche Dinge wie Mülltrennung, saisonales Gemüse kaufen, kaputte Sachen reparieren zu lassen sind alle wichtig, retten aber nicht die Welt, solange man dabei gegen den Strom schwimmt. Es geht darum, die Verhältnisse zu ändern, dann ändert sich automatisch auch das Verhalten. Wenn klimafreundliches Handeln heißt, mit dem Strom zu schwimmen und an der verschwenderischen fossilen Welt festhalten, sich gegen den Strom zu stemmen, dann möchte ich sehen, wie viele Menschen diese Mühsal auf sich nehmen. In Kopenhagen und Paris fährt heute nicht deswegen die halbe Bevölkerung mit dem Rad, weil ihnen jemand eingeredet hat, Radfahren sei gesund und gut für die Umwelt. Statt Moralpredigten wurde der öffentliche Raum umgebaut, die Ampelphasen ans Radfahren angepasst, der Schnee zuerst am Radweg und dann auf der Straße geräumt. Die Änderung der Verhältnisse hat über Jahre zu einer Änderung des Verhaltens geführt. Warum sollten sich die Menschen nicht für die bessere Alternative entscheiden, wenn sie ihnen geboten wird? Als wir einmal in Kopenhagen Urlaub gemacht haben, stieg meine Frau nur widerwillig aufs Rad, weil sie Radfahren nur von Wien kannte, wo Radwege oft nur aufgepinselte Linien auf einer verkehrsreichen Straße bedeuten. Nach einem Tag auf dem Rad in Kopenhagen hatte sie ihre Meinung geändert, das war »richtig toll«, wie sie fand, wenn Radfahren so sicher ist, würde sie »sogar in Wien mit dem Rad zur Arbeit fahren«.
Sie heben die spannende Geschichte des Volkes von Tikopia hervor, einem polynesischen Volk, das in der Lage war, langfristig Krisen abzuwenden. Was kann man sich von ihnen abschauen?
Im Geschichtsunterricht lernen wir von den Maya, den Wikingern, der Osterinsel. Das Scheitern der Menschheit scheint vorprogrammiert, mit echten Krisen können wir nicht umgehen. Oder doch? Das Volk der Tikopia hat es zwei Mal geschafft, einen Kurswechsel zu vollziehen, um sein Überleben zu sichern. Der Untergang einer Gesellschaft ist also selbst unter widrigsten Umständen nicht vorprogrammiert. Es braucht dazu allerdings den Mut, sich den Problemen zu stellen und sie an der Wurzel zu packen, statt sich in Ersatzhandlungen zu verzetteln. Das können wir uns von ihnen abschauen, auch bei der Klimakrise wird von Technologien fantasiert, die Treibhausgase aus der Atmosphäre saugen oder das Sonnenlicht abschwächen, damit wir nichts ändern müssen. So gelangen wir nur tiefer in die Krise und wachen zu spät auf, wie die Maya, die Wikinger und die Bewohner der Osterinsel. Die Tikopia zeigen, wie wir diesem Schicksal entkommen können, darum habe ich die Geschichte ins Buch aufgenommen.
Inwiefern ist es der Individualismus, das für sich gepachtete individuelle „Recht“ auf ein glückliches Leben, der dem Klima und damit uns allen schadet? Wie sieht die optimale Gesellschaft in Ihren Augen aus und wie spielt das Thema Gemeinschaft in den Klimawandel hinein?
Das ist eine gute Frage. Was macht ein glückliches Leben aus? Ruhm und Reichtum? Die Früchte von Fleiß und harter Arbeit? Viele Dinge zu besitzen? Selbständig der eigene Herr statt angestellt zu sein? In Amerika läuft seit 85 Jahren eine wissenschaftliche Studie, die über 700 Menschen ihr ganzes Leben begleitet hat, um herauszufinden wer von ihnen ein glückliches Leben gelebt hat und warum. Was die Studie herausfand war, dass die glücklichen Menschen stabile Beziehungen in der Familie, unter Freunden und in der Gemeinschaft hatten, wo sie sich aufgehoben fühlten. Sie waren zufriedener, gesünder und lebten länger als alle anderen, was will man mehr! Egoismus schadet nicht nur dem Klima, sondern vor allem uns selbst, wie man sieht. Eine glückliche Gesellschaft richtet mit großer Wahrscheinlichkeit weniger Schaden in der Welt an, weil man nicht nur auf sich, sondern auch auf andere schaut. Für mich ist das ein Sehnsuchtsbild, eine willkommene Zukunftsvision.
Gibt es etwas Bestimmtes, das Sie sich von dem Buch erhoffen? Etwas, das sie ihm wünschen?
Wenn jemand das Buch liest und sich am Ende denkt, Klimaschutz und eine klimaneutrale Zukunft sind eine coole Sache, da will ich dabei sein, habe ich mein Ziel erreicht.
Roger Hackstock ist Sachbuchautor, Lehrbeauftragter an der TU Wien und seit 20 Jahren Geschäftsführer des Verbandes Austria Solar. Bei seinen beruflichen Stationen
im Ministerium, in der Österreichischen Akademie der Wissenschaften, der Nationalen Energieagentur, im Klima- und Energiefonds und im Industrieverband konnte
er vielfältige Einblicke gewinnen, was Klimaschutz voranbringt oder hemmt.
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Roger Hackstock
Wie wir die Welt retten, ohne uns dauernd Sorgen zu machen
Kremayr & Scheriau, 224 S.