Die besten Krimis für den Sommer 2023:

Claudia Piñeiro
Kathedralen
Ü: Peter Kultzen
Unionsverlag, 320 S

Platz 6

Düsteres und beklemmendes Meisterwerk der preisgekrönten argentinischen Autorin Claudia Piñeiro. Foto: Alfaguara

Kaum blättert man »Kathedralen« von Claudia Piñeiro auf, umfängt einen schon die dunkle Atmosphäre: Die jüngste von drei Schwestern ist umgebracht, zerstückelt und verbrannt worden, 30 Jahre zuvor. Die ältere Schwester, mittlere von dreien, die sich mit der 17-jährigen Ana ein Zimmer und ihre Geheimnisse geteilt hat und die die erste Ich-Erzählerin des Romans ist, schwört mit diesem Tag dem Glauben an Gott und die Kirche ab. Entsetzen von Seiten der Familie. Jetzt, Jahre später, taucht die älteste Schwester mit ihrem Ehemann, einem ehemaligen Seminaristen, sowie, getrennt von ihnen, ihr Sohn in der neuen spanischen Heimat auf …

Die Protagonist/innen des bis dato ungeklärten Mordfalles – die drei Schwestern, der Vater, der Ehemann, die Freundin des Opfers, der Kriminalbeamte – sie alle erzählen den Hergang aus ihrer Perspektive und entfalten vor den Augen der Lesenden einen dichten und gleichzeitig weiten Kosmos des Systems Familie gegen Ende des 20. Jahrhunderts in Argentinien, das geprägt ist vom Katholizismus und dessen Doppelmoral. Piñeiros Roman erzählt aber auch von einer Familie, die durch den plötzlichen Tod der jüngsten Tochter erschüttert und auseinandergerissen wird. Wie Puzzleteile setzen sich die Versatzstücke zusammen und ergeben am Ende ein gesamtes und stimmiges Bild einer brüchig gewordenen Weltanschauung und Moral sowie eines starren Familiengefüges. Es geht um Religion, Familie, Zusammenhalt, Abgründe, Glaube, Hoffnung und Liebe. Vielstimmiger Psychothriller höchster Güte.


Die besten Krimis für den Sommer 2023:
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