Die Blätter, die die Welt bedeuten: Literatur- und Kulturzeitschriften galten als totgesagt, wer im Netz oder am Kiosk die Augen offenhält, wird jedoch eines Besseren belehrt. Illustration: Jorghi Poll

zuerst veröffentlicht in Buchkultur Bücherbrief, 8. April 2025


Wer nun sogar behauptet, literarische Printmedien florierten, ignoriert wohl die prekären Bedingungen, unter denen sie existieren – doch die Lust fürs Magazin bleibt absolut bestehen. Insbesondere die junge Literaturszene ist aufs Engste mit dem Medium der Zeitschrift verbunden.

»DELFI – Das Magazin für neue Literatur« (Ullstein) ist eine solche Huldigung an das gedruckte Wort. Herausgegeben wird das Medium zweimal im Jahr von Fatma Aydemir (»Dschinns«, Hanser 2022), Enrico Ippolito (»Was rot war«, Rowohlt 2021), Hengameh Yaghoobifarah (»Schwindel», Aufbau 2024) und Miryam Schellbach (Programmleiterin des Claassen Verlags) – allesamt Household Names und im avantgardistischen Flügel der Gegenwartsliteratur zu verorten. Für die monothematischen Ausgaben werden Auftragswerke vergeben: »Tempel«, »Fleisch« und »Gift« waren jene der ersten drei Hefte, gearbeitet wird mit Begriffen, die Raum lassen, der divers und innovativ ausgelotet werden kann. Prosa, Dramatik, Lyrik, Essayistik und Comic sind die Schienen, welche DELFI bedient, es sollen viele Genres abgebildet werden und auch viele deutschsprachige wie internationale Autor/innen. Die Kunst des Übersetzens findet ebenso Einzug, in »Tempel« ist beispielsweise eine Übersetzung von Olga Radetzkaja von Ocean Vuongs Text »An meinen Hund Tofu während des Blizzards vom 18. Dezember 2020« zu finden.

Der Core von DELFI? Postmigrantisch, queer und international, Literatur ernsthaft, aber kritisch betreibend, fundiert und trotzdem verständlich.

»Wer erzählt, spielt Welt«: Die kürzlich erschienene vierte Ausgabe läuft unter dem Thema »Spiel«. Im Editorial eröffnen die Herausgeber/innen ein weites Spektrum zwischen spielerischer Leichtigkeit und manipulativem Ausgespielt werden. Inwiefern das auch für die craft des Schreibens gilt, zeigen 14 Auseinandersetzungen damit, darunter Prosatexte von Theresia Enzensberger, Stefanie de Velasco und Sandra Gugić. Ein Interview mit Claudia Rankine, bekannt für ihre präzise beobachtenden Essays, zieht Verbindungen zwischen Spiel, Risiko und literarischem Ausdruck.

»Time to play«: Unter diesem programmatischen Motto entfalten sich Form- und Inhaltsexperimente auf anregende Weise. Etwa in Miedya Mahmods Lyrikbeitrag, der zwischen Webcore und Cyberpoetik changiert. Auch David Wagners Text, der die Kunst des Bügelns mit ihren psychologischen, teils kathartischen Effekten behandelt.

Die achtsame Kuration von DELFI führt zu herausfordernden Endprodukten, die die Fähigkeit haben, die Lesenden weiterzuführen. DELFI versteht sich als Plattform »für das Publikum von morgen« und versammelt couragierte und relevante Texte/Kunst in verschiedensten Formen und Gattungen.

DELFI – Magazin für neue Literatur
04 SPIEL
Ullstein, 144 S.