Zwei Autor/innen laden zum Nachdenken über Literatur ein.


Eine »einfache Frage« stellte Kurt Neumann 2016 acht Briefkorrespondenten-Paaren, nämlich: Was ist gute Literatur? Zugegeben, ein kleines bisschen provokant schon auch, denn wenn diese einfache Frage so leicht zu beantworten wäre, dann wäre wohl schon dieser erste bei Sonderzahl erschienene Sammelband nicht so umfangreich gewesen. Die Idee jedenfalls, der Essenz guter Literatur auf den Grund zu gehen, indem man sich des Ping-Pong-Prinzips bedient und darüber austauscht, war gut. So gut, dass ein Korrespondenzen-Paar gar nicht damit aufhören wollte.

Also sponnen Anne Weber und Thomas Stangl den Faden dieser unbeantwortbaren Frage weiter, ausgehend von den ersten Korrespondenzen, die bereits im Sammelband abgedruckt waren, schraubten sie sie fort bis in die Pandemiejahre, bis ins Heute und brachten das fortgesetzte komplette Gespräch nun unter dem Titel »Über gute und böse Literatur« bei Matthes & Seitz heraus. Immer wieder blitzt die Unmöglichkeit des Unterfangens durch: »Aber vielleicht ist es auch ein Fehler, die Frage nach guter Literatur direkt beantworten zu wollen; vielleicht sollte man einfach von Literatur reden – vom Schreiben, vom Lesen, damit aber auch von der Wirklichkeit.« Ebendas machen die Autor/innen auch, sie schreiben diskursiv von der Literatur. Und immer wieder wird sich auch an beiden Enden gehörig gewundert, was doch nicht alles heraussprudelt auf diese Frage hin, dass die einmal angezapfte Quelle nicht versiegt, dass es immer noch etwas weiterzudenken gäbe.

Wer sich auf diese Korrespondenz einlässt, sollte sich darauf einstellen, immer mal wieder vor- und zurückzublättern, immer wieder dem Faden des Gespräches, der manchmal ein wenig wirr in viele Richtungen geht, zu verfolgen. Doch das macht zugleich auch den Charme dieses dünnen Bandes aus: Er ist ein Denkangebot an die Lesenden, er lädt zum Mitreden ein und zum Gedanken finden. Beide Autor/innen werden im kommenden Herbst bei Matthes & Seitz neue Bücher herausbringen, und so sind die tiefen Einblicke, die beide in ihr Schreiben gewähren, noch einmal reizvoller. Ausgehend von der Frage nach dem gewissen »Etwas« jenseits von makellos geschriebenen, technisch zu perfekten Büchern, über die Frage nach der »Moral« beim Schreiben, die angemessene Verwertung der Wirklichkeit – und deren Grenze, bis hin zur Konzeption von (historischen) literarischen Figuren, die Bandbreite der Themen sind so vielfältig wie die Literatur selbst.

Ein wunderbares Büchlein, das die Literatur ins flackernde Bühnenlicht rückt, dahin, wo sie hingehört.

Thomas Stangl, Anne Weber
Über gute und böse Literatur. Korrespondenz über das Schreiben
Matthes & Seitz, 185 S.