Aborigines | Australische Literatur | Buchkultur Schaukasten | Buchtipp | Claire Thomas | Die Feuer | eva bonné | Lesetipp | Neuer Roman | Ökofeminismus | Ökologischer Fußabdruck | Schaukasten | Umweltkrimi

Claire Thomas

Im Theater gewesen, nachgedacht

von Martin Thomas Pesl 

8. April 2022

Drei Frauen schauen Beckett, während Australien brennt.


Da soll mal eine/r sagen, Theater könne die Menschen nicht mehr bewegen. Wie ein vehementes Argument gegen diese abfällige Behauptung wirkt „Die Feuer“, der zweite Roman der australischen Autorin Claire Thomas. Er ist 13 Jahre nach ihrem – bisher nicht ins Deutsche übersetzten – Debüt erschienen und schaut drei Zuschauerinnen einer Samuel-Beckett-Aufführung in die Köpfe: der Literaturprofessorin Margot, der Platzanweiserin Summer und der Mäzenin Ivy.

„Glückliche Tage“ ist jenes Stück des absurden Genies, in dem eine Frau in einem Erdhügel steckt und lamentiert. Dass die Inszenierung einen „öko-feministischen“ Ansatz hat, wird Insider/innen zum Schmunzeln bringen: Becketts strikte Vorgaben (gepaart mit der anglophonen Theatertradition der Werktreue) ersticken in der Regel jeglichen innovativen Einfall im Keim. Immerhin scheint die Regisseurin erfolgreich die Verwüstung abzubilden, die draußen vor sich geht. Während in dem Melbourner Theater alle unter der voll aufgedrehten Klimaanlage zittern, entfacht die große Hitze im Umland gefährliche Buschfeuer. So richtig aufmerksam verfolgt die Vorstellung daher niemand. Nur Textfetzen bleiben hängen, lösen Gedankenströme und Erinnerungen aus. Die Begegnung der drei Protagonistinnen zwischen den Akten wird kunstvoll als Stückskript präsentiert (bühnentauglich ist das Dramolett „Die Pause“ freilich eher nicht).

Im Rahmen ihrer vielleicht etwas zu offensiv klugen Gesamtkonstruktion gelingt es Thomas, nahezu alle erdenklichen Themen der Gegenwart zu streifen: Freud und Leid der Mutterschaft, Queerness, Krankheit, Gewalt, Rassismus gegen Aborigines und andere People of Colour in Australien und natürlich den Klimawandel. Locker-flockig liest sich der Roman in Eva Bonnés Übersetzung obendrein. Wäre dies eine Theaterkritik, stünde hier wohl so etwas wie: „Kurzer, aber herzlicher Applaus.“

Claire Thomas
Die Feuer
Ü: Eva Bonné
Hanser, 256 S.

Aus der Redaktion

Jakob Springfeld

»Im Jahre 2024 kann niemand politisch neutral sein!«

In »Unter Nazis. Jung, ostdeutsch, gegen Rechts« schildert der 2002 in Zwickau geborene und aufgewachsene Student Jakob Springfeld den Rassismus in seiner Heimatstadt und die Bedrohung, der er ausgesetzt ist, seit er sich für eine (klima-)gerechtere, offene Gesellschaft einsetzt.

von Dagmar Kaindl

Valérie Zenatti

»Eine große Notwendigkeit trieb mich dazu, den Roman zu schreiben«

Zwei Jugendliche träumen vom Frieden: Ein bereits 2005 im Original und 2008 auf Deutsch erschienenes, aus aktuellem Anlass neu aufgelegtes Buch ist Valérie Zenattis »I’m a girl, you’re a boy. Zwischen Jerusalem und Gaza«.

von Dagmar Kaindl

Hansjörg Schneider

»Ich war ein wilder Kerl«

Hansjörg Schneider gilt als einer der wichtigsten lebenden Dramatiker der Schweiz. Grund dafür ist die erotische Gruselfarce »Sennentuntschi«, die er vor mehr als einem halben Jahrhundert im Dialekt schrieb.

von Martin Thomas Pesl

Raoul Schrott

Anrufung der Großen Bären

In dem wahrscheinlich opulentesten Buch der Saison erkundet Raoul Schrott gleich 17 Sternenhimmel und lädt damit zu einem ungewöhnlichen Leseerlebnis ein.

von Andreas Knabl

Tove Friedman

Politische Bildung beginnt im Kinderbuch

Tova Friedman gehörte zu den fünf von vorher 50.000 Kindern, die den Zweiten Weltkrieg in der polnischen Stadt Tomaszow Mazowiecki überlebten. Ein Kommentar für Buchkultur über ihre Holocaust-Erfahrungen und die Bedeutung von Wahrheit.

von Tove Friedman

1223 Weltwunder

Ein Bildband führt durch das UNESCO-Welterbe

Der Bildband »Das Erbe der Welt« erscheint jedes Jahr und bietet einen eindrucksvollen Überblick über das UNESCO-Welterbe.

von Michael Schnepf

Samantha Harvey

»Ich habe den Roman geschrieben, um getröstet zu werden«

Von berückender Schönheit und Pracht ist Samantha Harveys Roman »Umlaufbahnen«, der soeben mit dem Booker Prize ausgezeichnet wurde: Das Buchkultur Exklusiv-Interview mit der britischen Autorin.

von Dagmar Kaindl

Barockes Schau-Essen

Tradition auf dem Teller

In Neapel soll ein Team aus Künstlern und Köchinnen ein barockes Schau-Essen reinszenieren.

von Michael Schnepf

Thomas Köck

»Österreich muss zugänglich bleiben!«

Ein Gespräch mit Thomas Köck, geführt im August 2024, über offene Browser-Tabs, tote Praktikanten und darüber, was passiert, wenn ein Text plötzlich zum Buch wird.

von Martin Thomas Pesl

Ljuba Arnautović

Leben im Dazwischen

Die Geschichte einer zerrissenen Familie, die vier Generationen zwischen Deutschland, Österreich und Russland umfasst, steht im Zentrum des Romans von Ljuba Arnautović.

von Stefanie Jaksch

Daniela Krien

»Trauer muss durchlitten werden«

»Mein drittes Leben« heißt Daniela Kriens neuer Titel, der von Verlust, Trauer und Wiederauferstehung handelt.

von Dagmar Kaindl

Helena Adler

Die Sünden der Welt

»Miserere«: Helena Adlers Aufbäumen gegen äußere und innere Fürsten der Finsternis.

von Ingeborg Waldinger