Unter Buchmenschen hat die sogenannte leichte Literatur oft einen schweren Stand. Denn leicht gilt in der Regel als seicht. Und Seichtes lässt sich nur schwer mit unserem literarischen Anspruch vereinbaren. Foto: Katrin Friedl.


Getreu dem Motto »Ist das Literatur oder kann das weg?« werten wir leicht verständliche und einfach geschriebene Bücher ab. Kann man machen, muss man aber nicht – und darf man auch nicht. Denn dieses elitäre Verständnis vom Lesen lässt eine zentrale Perspektive außen vor: Die Bedürfnisse der Leserinnen und Leser. Und das ist fatal. Denn wenn man Menschen nach ihren Beweggründen fürs Lesen fragt, kommt als häufigste Antwort der Wunsch nach unbeschwerter Lektüre mit einfacher Sprache und niedriger Komplexität. Hält man dieser Erkenntnis die Verteilung der zentralen Lesemotive in den Programmen der Verlage und in den Auslagen der Buchhandlungen entgegen, muss man feststellen: Das Angebot deckt die Nachfrage nicht ab. Die leichte Literatur ist deutlich unterrepräsentiert.

So weit, so schlecht. Denn das Problem ist weitaus größer als das auf den ersten Blick zu erkennende Verkaufspotenzial, das dadurch ungenutzt bleibt. Wir leben in einer Zeit, in der immer weniger Menschen Bücher kaufen. Das hat natürlich viele externe Gründe: ein konkurrierendes, sich immer weiter differenzierendes Medienangebot, eine Multitasking-Mentalität, in die das Lesen, das Fokussierung erfordert, nicht so recht passen will, und immer weniger Berührungspunkte mit Buchthemen im Alltag zum Beispiel. Hausgemacht hingegen sind die Folgen der geringeschätzten, leichten Literatur.

Während etwa das Easy Listening in der Musik ein anerkanntes Genre ist, ist die Lektüre von Büchern, in die man auch nach Unterbrechungen ohne Probleme wieder einsteigen kann und die sich zur Seite legen lassen, ohne weiter darüber nachdenken zu müssen, eher verpönt. Dabei sind es gerade diese Titel, die weniger bis gar nicht buchaffine Menschen den Einstieg ins Lesen erleichtern. Indem wir ohne Not das Angebot an leichter Literatur verknappen, schließen wir Menschen faktisch aus unserer Community aus, anstatt sie mit offenen Armen bzw. Büchern zu empfangen. Und nicht zu vergessen: Diese Menschen stehen dann auch unseren Kindern nicht als lesende Vorbilder zur Verfügung. Dabei ist das die beste Art der Leseförderung.

Das Phänomen BookTok zeigt uns, dass der Trend zur Abkehr vom Buch nicht naturgegeben ist – ganz im Gegenteil. Die Voraussetzung dafür ist, dass wir von unserem hohen akademischen Ross heruntersteigen. Die Menschen, die auf Young- und New-Adult-Titel stehen, lesen mit voller und vor allem auch multiplizierender Begeisterung, wie man unlängst auf der Frankfurter Buchmesse wieder äußerst anschaulich erleben konnte. Und das ist gut so.

Hören wir also auf, Bücher wegen ihres vermeintlich geringen Niveaus abzuwerten. Leichte Literatur ist legitim. Schon allein deshalb, weil unsere Bedürfnisse beim Lesen situativ sind. Als jemand, der sein Geld mit Kommunikation in der Buchbranche verdient und zwei kleine Kinder hat, möchte ich in meiner knappen Freizeit in der Regel nicht auch noch anstrengende Bücher lesen – das hebe ich mir für den Urlaub auf. Bei anderen ist es genau umgekehrt, weil sie einen anderen Ausgleich brauchen. Beides hat seine Berechtigung. Und so ist es auch insgesamt.

In Kürze stehen ja wieder die guten Vorsätze an. Warum nicht mal angewandte Leseförderung auf die eigene Agenda setzen? Und damit muss man gar nicht bis zum neuen Jahr warten. Einfach ein paar niedrigschwellige Leseangebote unter den Baum packen und Menschen überraschen, die noch nicht Stammkundin oder -kunde einer Buchhandlung sind. Und nicht vergessen: Unsere Mission besteht darin, Menschen zum Lesen zu bringen, nicht zu einer bestimmten Art von Büchern.

Frohes Schenken!


Markus Fertig verantwortet seit 2014 die internationale Presse- und Öffentlichkeitsarbeit des Technologie- und Informationsanbieters MVB an einer zentralen Schnittstelle der Buchbranche. Die intensive Beschäftigung mit den Bedürfnissen von Buchkäuferinnen und Buchkäufern gehört zu seinen beruflichen Schwerpunkten. Zuvor kommunizierte der studierte Anglist und Germanist mehrere Jahre für die Verlagsgruppe Springer Science + Business Media, heute Springer Nature.