Die besten Krimis für den Sommer 2025:

Liz Moore
Der Gott des Waldes
Ü: Cornelius Hartz
C.H.Beck, 590 S.

Platz 2

Ein Ferienlager, ein vermisster Teenager – mehr braucht Liz Moore nicht für 590 Seiten Spannung. Foto: Maggie Casey


Die reichen Van Laar scheinen das Unglück anzuziehen. Tochter Barbara ist aus dem Sommercamp im Naturreservat verschwunden. Schon vor 16 Jahren war ihr Bruder Bear, damals ein aufgeweckter, hübscher, cleverer Junge von acht Jahren, von einem Spaziergang mit dem Großvater nicht mehr zurückgekommen. Bloßer Zufall? Oder gibt es doch einen Zusammenhang?

Liz Moores literarischer Thriller »Gott des Waldes« startete bei Erscheinen sofort durch, in der New York Times stand er 29 Wochen auf der Bestseller-Liste. Und das nicht ohne Grund: Auf verschiedenen Zeitebenen, zwischen 1950 und 1975, errichtet Moore das zumindest nach außen hin stabile Konstrukt einer Familie. Indem sie diese Schichten immer wieder verschiebt und umordnet, setzt sie nicht nur die fatale Vorgeschichte von Barbaras Verschwinden zusammen. Jede neue Perspektive bringt Schwachstellen und Geheimnisse des Clans ans Licht, die Verstrickungen nach »oben« und »unten«, also zwischen Familie und Angestellten. Das erinnert an das Fadenspiel Cat’s Cradle, bei dem das zwischen den Fingern beider Hände aufgespannte Fadenmuster nicht nur in die Breite, sondern bei der Übergabe an den Mitspieler kurz auch hinauf oder hinunter geht.

Warum 1975? In einem Podcast von Barnes & Noble erzählt Liz Moore, dass damals tatsächlich ein Serienmörder in der von ihr beschriebenen Gegend unterwegs war. Zudem sieht sie in den Siebziger Jahren einen wichtigen Gesinnungswandel in der Gesellschaft, vor allem für Frauen. Das zeigt sich an ihrer Protagonistin Judy, die nicht, wie damals üblich, bloße Verkehrspolizistin ist, sondern tatsächlich Ermittlerin. Judys »Stimme« wird gegen Ende des Buches immer wichtiger, Moore vergleicht die Rolle – hier sind wir wieder beim Spiel – mit der Position der Königin im Schach: Während die anderen Figuren bzw. Personen sich nur eingeschränkt bewegen können, hat sie größere Freiheit für ihre »Züge«. Sehr gelungen. (Anmerkung am Rande: Die 13-jährige Barbara mit abgeschnittenen Jeansshorts, Militärstiefeln und schwarzgefärbten Haaren zu der Zeit als Punk in der Provinz – die Bewegung hatte grade in London und New York begonnen – ist weniger überzeugend.)

Liz Moore geht in ihren Geschichten nicht nur der Frage nach dem Wer und dem Wo nach, sondern vor allem dem Warum. Im »Gott des Waldes« verkörpert dieses tiefer gehende Interesse Barbaras Mutter Alice: Nach Verfliegen der ersten Leidenschaft wird Ehemann Peter Van Laar zunehmend ungeduldiger über die alkoholbedingten gesellschaftlichen »Fehltritte«. Nur die Liebe zum gemeinsamen Sohn verbindet das Paar noch. Nach Bears Verschwinden ist Alice ein Wrack, vollgepumpt mit Beruhigungsmitteln. Sie kann der Tochter nicht wirklich nahe sein, betrachtet deren erste Anzeichen des Erwachsenwerdens mit Ekel – diesem scheinbaren Mangel an Gefühl bei Alice stellt Moore äußert einfühlsam das Verhältnis zur älteren Schwester Delphine gegenüber.

Das krampfhafte Festhalten an Hierarchien durchzieht die Vergangenheit, reicht bis in die Hütten des Sommercamps und bestimmt ganz wesentlich die Handlungen und Aussagen der Protagonist/innen auf der Suche nach Barbara. Man lügt, nicht gewohnheitsmäßig, sondern einfach um sich (oder andere) zu schonen. Spannend.


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