Vier Krimi-Neuerscheinungen entführen in den sonnigen Süden, in Sehnsuchtsländer und an Sandstrände. Und sorgen nicht nur für höchste Spannung, sondern auch für Feriengefühle. Foto: Shutterstock.


Sommer: Badehose einpacken, ins Auto steigen und gen Süden fahren. Unbeschwerte Tage am Strand und laue Abende in der Taverne. Aber manchmal kommt es anders. Die hier vorgestellten Krimis entführen an die obere Adriaküste Italiens und Istriens, auf eine (fiktive) griechische Insel und in die französische Provence. Alle vermitteln Urlaubsstimmung – allerdings verwoben mit grausamen Morden, perfiden Machenschaften und menschlichen Abgründen.

Eine Vespa, Sandstrand und Meer: Schon das Coverbild genauso wie der Titel »Pizza, Pasta, Mord!« suggeriert »Bella Italia«. Und man wird nicht enttäuscht. Der Roman beginnt am Strand nahe dem historischen Städtchen Caorle, bereits die ersten Seiten lassen Feriengefühle aufsteigen, die Orts- und Strandnamen der Urlaubsziele an der oberen Adria zergehen einem auf der Zunge und wecken Erinnerungen. Isabelle Martin, eine Deutsch-Französin, macht hier Urlaub und nimmt sich eine Auszeit von ihrem Job als Kriminalpolizistin in Bayern. Sogleich läuft ihr ein gutaussehender Landsmann und Berufskollege über den Weg, Sigi Schwaiger. Eine Leiche gibt es auch: Der ehemalige deutsche Sänger und Entertainer Ricci Bianco wird tot aufgefunden und weder die junge Sizilianerin Carina noch Isabelle und Sigi glauben, im Gegensatz zur italienischen Polizia, an einen natürlichen Tod. So beginnen die beiden deutschen Kommissare während ihres Urlaubs im Ferienidyll zu ermitteln. Der deutsche Autor, Germanist, Jugend-Sprachforscher und Adria-Kenner Hermann Ehmann legt hier seinen zweiten Kriminalroman und den Auftakt zu einer Adria-Krimiserie vor. Witzig, kurzweilig und mit plastischen Dialogen. Leichtfüßige Ferienlektüre, die mit deutschem Blick auf die Feriengebiete Norditaliens schaut und Erinnerungen genauso wie Sehnsucht weckt.

Auf der anderen Seite der Adria, in Istrien, spielt der atmosphärische Krimi »Klippensturz«, der trotz eines Mordes und dubiosen Machenschaften Feriengefühle weckt. Laura Mars, eine nicht mehr ganz junge, attraktive und stets gut gekleidete Frau fährt von Wien nach Rovinj, um die ihr beinahe unbekannte Familie ihrer Mutter zu treffen und die Erbschaft ihrer Großmutter anzutreten. Sie gerät in die Fänge ihrer kroatischen Verwandtschaft und außerdem in einen Mordfall. Ebenjener Notar, der die Verlassenschaft abwickeln soll, wird in seiner Kanzlei in Rijeka umgebracht. Ein äußerst aparter Kommissar ermittelt, der Lauras Blut in Wallung bringt – genauso wie das Tagebuch ihrer Großmutter, das sie im Notariat entdeckt und heimlich mitnimmt. Die erfolgreiche österreichische Kriminalautorin und Psychoanalytikerin Edith Kneifl schlägt auch in ihrem neuesten Roman eine Brücke zwischen Kriminalfall und Familiengeschichte und lässt tief in die Seelen von Menschen blicken. Mit der Lektüre der Tagebucheinträge der verstorbenen Großmutter reist auch die Leserin in eine ferne Vergangenheit zwischen dem armen Jugoslawien und dem Exil in Triest, und es wird deutlich, wie sehr vernetzt Istrien, die obere Adria und Wien doch sind. Gemeinsam mit Laura durchfährt man während der Lektüre das italienisch-österreichisch geprägte Istrien von Poreč über Rovinj nach Rijeka, nippt an kroatischem Kaffee und besucht die noblen Villengegenden, in denen einst die Adligen und Reichen der Habsburgermonarchie Ferien machten, bevor es gegen Ende des dichten Romans noch wirklich düster und gruselig wird. Ausgeprägte Charaktere und sogenannte Typen stellen das Figureninventar, Kneifl schreibt mit flotter Feder mit Zwischentönen. Bei ihr ist nichts so wie es scheint. Das Helle ist durchzogen mit dunklen Schwaden, das Dunkle gesprenkelt mit Licht. Teilweise heitere, teilweise düstere Lektüre, die Istrien nahezu sinnlich erfassbar macht.

Schauplatzwechsel auf die fiktive griechische Insel Aegos. Hierher, in eine noble Villa hoch über dem Meer, reisen sechs Engländerinnen um die dreißig, um über mehrere Tage hinweg Lexis Hen Party, ihren Jungesellinnen-Abschied, zu feiern. Erzählt wird tageweise und auktorial, aber dennoch mit zwischen den sechs Frauen wechselndem Fokus. Gleich von Beginn an wird klar: Es gibt Geheimnisse und nicht alles ist so ungetrübt zwischen den Freundinnen, wie sie sich selbst glauben machen wollen. Fern der Heimat, auf relativ engem Raum und innerhalb eines knappen Zeitrahmens inmitten eines Ferienidylls entspinnen sich gleich einem Kammerspiel à la Agatha Christie ungeahnte Beziehungen, Verflechtungen und Abgründe. Jede einzelne trägt ein Geheimnis in sich. Von Stunde zu Stunde, von Kapitel zu Kapitel werden die zwischenmenschlichen Spannungen intensiver, das gegenseitige Misstrauen der Frauen größer. Lucy Clarke erzählt in ihrem neuesten Roman »One of the Girls« nicht nur eine perfide, perfekt konstruierte Geschichte, sondern sie zeichnet mehrere Frauenbilder an der Schwelle zwischen Jugend und Erwachsensein. Und sie macht deutlich, dass einen die Vergangenheit immer wieder einholt. Und manchmal völlig unerwartet unter dem strahlend blauen Himmel Griechenlands. Klassische Erzähltradition in erfrischender Form.

Das vielbesungene Licht der Provence ist getrübt in dem dichten und eher düsteren, fundiert recherchiertem Roman des deutschen Autors Andreas Heineke. Gleich zu Beginn von »Auslese à la Provence« geschieht ein grausamer Unfall: Zwei junge Menschen verbrennen auf einem Weinberg. Pascal Chevrier, der nicht immer Dorfgendarm in seinem beschaulichen Dorf im Hinterland der Côte d’Azur war, sondern vor drei Jahren Paris und der Police nationale den Rücken gekehrt hat, wird auf den Plan gerufen. Nicht nur der Mordfall, sondern auch seine Kollegin Audrey, Polizistin in Apt, und seine unglückliche Liebe zu ihr fordern Pascal ganz schön heraus. Dazu seine erwachsene, wenn auch blutjunge Tochter, deren Hochzeit bevorsteht. Der Kriminalfall verwebt sich mit Pascals Geschichte. Vor allem aber entspinnt sich eine Handlung mit reichem Personeninventar, die sich um aktuelle Themen und Spannungsfelder unserer Zeit sowie der Gegend, in der dieser atmosphärisch dichte Roman spielt, drehen: Der Wein ganz allgemein, Biowein im Gegensatz zu Massenware, die Geschichte des Weinanbaus in Südfrankreich. Kooperationen, neue Herausforderungen durch die Erderwärmung und den Klimawandel sowie nationale Tendenzen. Am Anfang wirkt der 300 Seiten starke Roman etwas spröde, man muss sich hineinfinden und er liest sich nicht nebenbei. Für die Lektüre braucht es Aufmerksamkeit, wenn man sich allerdings auf sie einlässt, entfaltet sich ein reicher Kosmos und ein profunder, tiefgehender Roman, der nicht nur eine gute Story zu bieten hat, sondern gewichtigen Inhalt bereitstellt für die, die tiefer in die Winzerwelt der Provence eintauchen möchten und nachhaltige Lektüre zu schätzen wissen.

Hermann Ehmann
Pizza, Pasta, Mord! Italien-Krimi
Gmeiner, 280 S.

Edith Kneifl
Klippensturz. Ein Istrien-Krimi
Haymon, 304 S.

Lucy Clarke
One of the Girls
Ü: Urban Hofstetter
dtv, 432 S.

Andreas Heineke
Auslese à la Provence
emons, 304 S