Joy Williams erfindet sich auch in ihren neuen Geschichten »Stories 2« ganz eigene Welten. Foto: Jonno Rattman, dtv


Der erste Teil der »Stories« (dtv 2023) machte die mittlerweile 81-jährige amerikanische Autorin auch im deutschen Sprachraum bekannt. Nach ihrem stark autobiografisch gefärbten Roman »In der Gnade« (dtv, 2024/BK 212) erscheint nun eine Auswahl von Stories, welche die Autorin zusammen mit dem Verleger Alexander Fest und der Übersetzerin Anne Kristin Mittag ausgewählt hat. Und gleich in der ersten, in »Hawk. Ein Bericht«, die statt eines Vorworts die Sammlung einleitet, wird man mit der Erzählweise von Williams konfrontiert: Sie beginnt mit dem Phänomen Glenn Gould, schreibt über das Spielen und Denken dieses Ausnahme-Pianisten, um nahtlos zu ihrem Hund überzugehen: »Ich liebte Hawk, und Hawk liebte mich.« Bevor das Fürchterliche passiert, bevor dieser Hund die Erzählerin attackiert und sich in ihr verbeißt, singt noch Kathleen Ferrier wunderschön Bach. So schreibt Williams, sie lässt Bilder auf einen los, stellt sie nebeneinander, ob sie in einem Zusammenhang stehen oder nicht, ist nicht immer zu erkennen. So hat eine der Heldinnen ihrer Geschichten »einen Verstand wie ein unordentlicher Schrank voller glänzender Flaschen«. Worte, die gesprochen werden, können Chiffren, für andere, schreckliche Worte sein. Ein Sohn spricht zu seinem Vater mit den Stimmen von dessen Eltern. Es passieren überdurchschnittlich viele Verkehrsunfälle, vielleicht auch deswegen, weil einige der handelnden Personen Alkoholiker sind. Es ist ein düsteres Universum, das mit vielen Hunden bevölkert ist, aus dem heraus diese Geschichten kommen.

 

Joy Williams
Stories 2
Ü: Julia Wolf
dtv, 320 S.