Ein erratischer, (ver-)störender Block inmitten der Literaturlandschaft.


Roberto Bolaño (Foto: Anna Oswaldo-Cruz) Lehnererlebte die Veröffentlichung nicht mehr, er starb 2003, 50-jährig, in Barcelona an Leberzirrhose, Spätfolge einer unbehandelten Hepatitis. Die in seinen letzten Lebensjahren gewucherte Textmasse sollte, als finanzielle Absicherung der Familie, in fünf Bücher geteilt hintereinander erscheinen; die Erben entschieden sich letztendlich für einen Tausendseitenziegel mit als »Teilen« bezeichneten Abschnitten, die locker durch Figuren oder Wiederaufnahme von Ereignissen verbunden sind. Der Titel bleibt rätselhaft: Es könnte eine Jahreszahl sein, ein Friedhof in der Zukunft. Durchaus plausibel, sieht man als Zentrum des Werkes seinen umfangreichsten Abschnitt – »Der Teil von den Verbrechen«: Bolaño verarbeitet hier die brutalen Frauenmorde von Ciudad Juárez. Drogenhandel, Polizeikorruption, Schlepperwesen – eine Welt des Schreckens, die unheilvolle Vernetzung des Wahnsinns. Roberto Bolaños literarisches Vermächtnis ist unabgeschlossen, ungeglättet, und bleibt damit faszinierend und zeitlos. Das Changieren zwischen Wirklichkeit und Fiktion und Reflexionen der eigenen Biografie bezeichnet der Übersetzer Christian Hansen als »meisterhafte Verschmelzung von Kleinteiligkeit und überbordender Fülle«. Dem ist eigentlich nichts hinzuzufügen, außer dass die Übersetzung – eine Übertragung von chilenischem, katalanischem und mexikanischem »Slang« in deutsche Sozio­lekte – ebenfalls ein Meisterwerk ist.


Roberto Bolaño
2666
Ü: Christian Hansen
S. Fischer 2009, 1200 Seiten