Eine berührende Suche nach Herkunft und Zugehörigkeit


Nach seinem ausgezeichneten Debüt »Frei Schwimmen« führt uns Caleb Azumah Nelson in »Den Sommer im Ohr« in die lebendige Atmosphäre des Londoner Südostens. Der Protagonist Stephen wächst dort mit seinem Bruder Ray und seinen ghanaischen Eltern im Stadtviertel Peckham auf.

Nelson eröffnet die Geschichte in einem Gottesdienst mit lauter Gospelmusik – eine bezeichnende Szene, denn der junge Mann erlebt die Welt mit den Sinnen eines Musikers: Jazz ist für ihn eine Lebenseinstellung und Tanzen die Möglichkeit, vor den Herausforderungen des Erwachsenwerdens zu flüchten. Doch während die Beats ihn beleben, stellt er sich tiefgründigen Fragen des Lebens: Wo finden wir Spirituelles, wenn wir mit dem Glauben hadern? Was hält Menschen zusammen, wenn wir uns nicht trauen, offen miteinander zu sein? Und wie finden wir Halt in einer Welt, die sich ständig verändert? Für bestimmte Gefühle gibt es keine Worte. Nelson bringt in diesen Momenten immer wieder die Kraft der Musik ins Spiel.

Der Roman folgt Stephen während drei Sommern, in denen er sich in Großbritannien und Ghana aufhält. Nelsons einfühlsamer Schreibstil gibt uns ein intimes Bild des inneren Kampfes, den der Protagonist mit sich selbst austrägt. Als Kind zugewanderter Eltern sieht er sich mit Fragen nach Herkunft und Identität konfrontiert: Wie viel von den Erfahrungen seiner Eltern stecken in ihm? Und muss er ihre Erwartungen erfüllen? Dabei entfaltet sich eine berührende Suche nach Liebe, Freundschaft und zuvorderst: nach sich selbst.

Caleb Azumah Nelson
Den Sommer im Ohr
Ü: Nicolai von Schweder-Schreiner
Kampa, 304 S.