Xi Xis verschlungener, ideenreicher und collagenartiger Fortsetzungsroman über das Hongkong der 70er-Jahre


Ein Instant-Roman in Pulverform, den man mit kochendem Wasser aufgießt, als Getränk zu sich nimmt und dann vor dem inneren Auge wie einen Spielfilm ablaufen sieht, literaturkritische Lineale, hundertstöckige Supermärkte und in Plastik eingeschweißte Städte – in Xi Xis »Meine Stadt«, nun erstmals auf Deutsch erschienen, geschieht allerlei Absonderliches. Der ursprünglich 1975 als Fortsetzungsroman erschienene Text bedient sämtliche Stilregister von magischem Realismus bis hin zu einer eher kindlich anmutenden Perspektive. Ohne einmal explizit erwähnt zu werden, steht das Hongkong der 70er-Jahre im Mittelpunkt der erzählten Episoden. Aus ganz verschiedenen Blickwinkeln betrachten die Protagonist/innen ihre Stadt: Da ist z. B. Mike Munter, der zunächst Parkwächter, dann Angestellter einer Telefongesellschaft und schließlich Polizeibeamter wird, da sind Aguo und Afa, die als Geschwister mit ihrer Mutter in Hong Kong leben, der glücklose Schreiner Abei, dessen handgearbeitete Türen niemand wollte und Ayou, der eine Schiffsreise in die weite Welt antritt. Xi Xi erzählt keine lineare Geschichte, vielmehr collagiert sie ganz unterschiedliche Eindrücke und reichert sie an mit Anspielungen auf Hongkongs wechselvolle Geschichte. Nicht alle davon stechen dem Unkundigen sofort ins Auge, sodass einige Schilderungen vielleicht an Tiefe und Verständlichkeit einbüßen. Nichtsdestotrotz steckt der Roman voller Humor, Fantasie und kleiner Illustrationen der Autorin. Er ist ein abenteuerliches Dickicht, auf das man sich einlassen muss!

Xi Xi
Meine Stadt
Ü: Karin Betz
Suhrkamp, 256 S.