Eine erhellende philosophische Reflektion über den eigenen Platz in der Welt und Bewegungen, die notwendig sind
Wer im Haushalt Ordnung halten will, dem wird oft empfohlen: Sorg dafür, dass alles seinen Platz hat. Wenn alles dort ist, wo es hingehört, kehrt Ruhe ein. Wenn Menschen irgendwo Wurzeln schlagen können, sind sie zufrieden. Aber ist es so einfach? Die französische Philosophin Claire Marin untersucht in »An seinem Platz sein« die verschiedenen Implikationen dieses Zustands: Ist ein Leben, das ausschließlich in seinen vorgesehenen Bahnen verläuft, wirklich erstrebenswert? Ist risikobehaftete Bewegung nicht erfüllender als lähmende Stabilität? Können wir uns vielleicht nur dann finden, wenn wir uns freimachen von dem, was wir sein sollen? Marin untersucht den Platz dabei nicht nur als konkreten Ort, etwa das Elternhaus oder die Heimatstadt, sondern auch als Ort im übertragenen Sinne. Sie geht der Frage nach, was es mit uns macht, wenn andere uns unseren Platz zuweisen, uns kleinmachen und auf die billigen Plätze abschieben. Menschen einen Platz zuzuweisen, bedeutet auch, sie von anderen Orten fernzuhalten. Das geschieht, so Marin, auf unterschiedliche Art, etwa wenn Plätze bewusst so gestaltet sind, dass manche Menschen keinen Zugang zu ihnen haben. »An seinem Platz sein« greift zurück auf Überlegungen u. a. von Georges Perec, Michel Foucault, Pierre Bourdieu und Annie Ernaux und schafft damit einen großen Resonanzraum für ganz verschiedene Assoziationen und Reflektionen, z. B. auch zum Körper als Ort, den wir mal mehr und mal weniger glücklich, aber unabwendbar bewohnen. Ein bereichernder Streifzug!
—
Claire Marin
An seinem Platz sein
Reclam, 170 S.