Weinbau ist nicht gleich Weinbau und Naturwein ist nicht Biowein – Krimispannung plus Erkenntnisgewinn.


Dass das Leben zu kurz ist, um schlechten Wein zu trinken, ist mittlerweile nicht nur ausgewiesenen Weinkennern und Weinliebhaberinnen geläufig. Und bereits die Zisterziensermönche des 11. Jahrhunderts wussten: Schenkst Du Guten ein, schaust Du Gott im Wein – noch eine Spur eleganter kommt die Weisheit auf Französisch daher: Qui bon vin boit, Dieu voit. In beiden Sprachen stellt Andreas Heineke das Motto seinem neuen Provence-Krimi voran. Es ist eine ziemlich hochprozentige Auslese, die der Autor vorlegt. Heineke arbeitet als Filmemacher und Drehbuchautor für u. a. das ZDF und den NDR, schreibt Sachbücher und Kriminalromane, deren Markenzeichen à la Provence ist.

Was im Prolog mit einem romantischen Rendezvous zweier an der konventionellen Norm gescheiterter junger Menschen beginnt, wird zu einer Tragödie. Und somit ist es auch mit der Beschaulichkeit für den Dorfgendarm Pascal Chevrier vorbei, der nach den gängigen Anlaufschwierigkeiten im provencalischen Dorfleben angekommen ist. Er hat ordentlich Federn gelassen im Zuge seiner Scheidung, die Exfrau ist eine Pariserin mit hohen Ansprüchen an ein luxuriöses Leben, die Ehe wurde der Tochter wegen lange aufrecht erhalten, bis Pascal der Großstadt, seinem gescheiterten Familienleben und seinem Dienst als Kriminalist in der Metropole abgeschworen hat. Er liebt sein Dorf, das ihn endlich akzeptiert, gärtnert mit Hingabe, findet sich damit ab, dass sein Hund nie im Leben eine Trüffelspürnase werden wird und freut sich wie ein Schneekönig, dass seine mittlerweile erwachsene Tochter ihre Hochzeit bei Papà in der Provence feiern will.

Aber anstatt sich auf die Auswahl des optimalen Weines und des entsprechenden Menüs für die Hochzeitsgesellschaft konzentrieren zu können, sieht er sich mit Leichen, einer anrüchigen Ecke im Hafen von Marseille, vermissten Personen, einem Drama innerhalb einer Winzerfamilie sowie einer Seite des Weinbaus konfrontiert, die ihm bislang völlig unbekannt war. Notgedrungen lernt Pascal eine Menge dazu – auch über sprichwörtlichen Etikettenschwindel, Hochstapelei unter der false flag von »Bio« und »Natur«, über die Illusion der Tradition, das unübersehbare Ausmaß des Klimawandels und eine Winzerorganisation, die nach anfänglich guter Arbeit im Sinne der kleineren, unabhängigen Betriebe in Teilen eine schwer bedenkliche Abzweigung genommen hat, die auch vor Drohungen und rechtsnationalem Terror nicht zurückschreckt.

Die Idylle zwischen Weinbergen und Lavendelfeldern gerät ins Wanken – und für Leser/innen tut sich ein riesiges Fass an Information auf.

Andreas Heineke
Auslese à la Provence
Emons, 304 S.