Ann Cotten verarbeitet ihre Hawai‘i-Reise literarisch und höchst originell.


Es ist gar nicht so leicht, einen Text von Ann Cotten zu rezensieren und ihr dabei gerecht zu werden. Aber es macht Spaß, es zu versuchen. Die in Iowa geborene österreichische Autorin verwendet nämlich ihre ganze eigene Art des Genderns, die inzwischen in einem kleinen Kreis ihrer Kollegennni Schule macht. Nein, die drei n sind kein Fehler, sondern »polnisches Gendering«: Alle Buchstaben aller mitgemeinten Varianten kommen vor, nur in anderer Reihenfolge. Cotten nutzt diese wahrscheinlich von ihr selbst erfundene Methode mit so heiterer Selbstverständlichkeit, dass die Lesernnnie bei der Lektüre ihres neuesten Streichs »Die Anleitungen der Vorfahren« schon nach kürzester Zeit nicht mehr darüber stolpern – ein wesentlicher Schritt zum Erfolg gendersensibler Sprache. Mit dem Polnischen an sich hat das übrigens nichts tun.

Auf die nonbinäre Hauptfigur der »Anleitungen« wird also mit Pronomen wie »sier«, »seihrne« und »siehn« verwiesen. Aber nicht nur sier ist keiner Schublade zuzuordnen, das ganze Werk schwebt heiter über den Genres. Gedichte, vielleicht Songs in deutscher und englischer Sprache finden sich da, Zeichnungen und Fotos, philologische Gedanken zur Translationswissenschaft unter Rückgriff auf seriöse Quellen – Cotten nimmt selbst literarische Übersetzungen vor – und so etwas wie eine Handlung: Dier Protagonistni, wohnhaft in Wien, was sich in der Nutzung von Insider-Ausdrücken wie Mahü (für die Mariahilfer Straße) niederschlägt, und des Japanischen bereits kundig, fliegt nach Hawai‘i und macht sich dort allerlei Gedanken über die Sprache und Kultur der Einheimischen. Auf die Vorfahren und ihre titelgebenden Anleitungen kommt Cotten dabei immer wieder zurück.

Dem Entstehen des Buches ging ein Recherchestudium an der Universität Hawai‘i voraus. Gut möglich, dass Cotten die dort erlangte Inspiration relativ ungefiltert und unsortiert in diesen originellen Band fließen ließ. Für Leseanfängernnnie ist ihr Werk gewiss nichts – Ijoma Mangold bezeichnete es als »Schlag ins Gesicht derer, die finden, man müsse Literatur auch verstehen können«. Für diejenigen, die einverstanden sind, dass Literatur auch dann Freude bereiten kann, wenn man nicht alles versteht, ist »Die Anleitungen der Vorfahren« jedenfalls ein Quell überraschender Blicke auf Faszinierendes wie Worte (sprachenübergreifende Homophone wie »shear« und »schier« haben es Ann Cotten und ihrer Hauptfigur besonders angetan), Dinge und Menschen.

Ann Cotten
Die Anleitungen der Vorfahren
Edition Suhrkamp, 160 S.