Praktische Denkanstöße vom Haha zum Aha: Yves Bossarts »Trotzdem lachen«.


Yves Bossart, 1983 geboren, ist Schweizer Philosoph und dank seiner Funktion als Redaktor und Moderator der »Sternstunde der Philosophie« auch hierzulande kein Unbekannter. In seinem neuen Büchlein »Trotzdem lachen. Eine kurze Geschichte der Philosophie des Humors« macht er sich – der Name verrät es – Gedanken über das Lachen.

Das kommt anfangs, fein sortiert und gegliedert, recht populärwissenschaftlich in lockerem Erklärgestus daher, der Evolution des Lachens wird nachgegangen, die unterschiedlichen (philosophischen) Erklärungsansätze werden aufs Tapet gebracht, es wird sich gefragt, warum gewisse Umstände denn überhaupt »Kontraktionen im Zwerchfell« hervorrufen, aber auch große Namen werden in bewährter Manier zitiert, etwa Goethe: »Durch nichts bezeichnen die Menschen mehr ihren Charakter als durch das, was sie lächerlich finden«, oder Umberto Eco, der im »Namen der Rose« schreibt, Lachen sei die »Kunst der Vernichtung von Angst«. Und natürlich darf auch der große Name der Gefühlsphilosophie nicht fehlen, wenn es um das Thema Lachen geht, Helmuth Plessner, der Lachen und Weinen nahe beieinander verortet und gleichermaßen als Grenzreaktionen beurteilt. Im Weinen sieht er die Überforderung des Herzens, wir werden überwältigt und können die Dinge nicht mehr in Verhältnis setzen. Das Lachen dagegen bezeuge eine Überforderung des Verstandes angesichts der Widersprüchlichkeiten und Mehrdeutigkeiten der Welt.

Wirklich spannend wird es nach dem Kategoriegeplänkel vor allem dann, wenn es um die Ethik des Humors geht. Friedrich Dürrenmatt, gibt Bossart eine weitere Schnurre zum Besten, sei auf dem Hin- und auf dem Rückweg auf demselben Hundekot ausgerutscht und habe sich sehr darüber erheitern können. Das macht ihn sehr sympathisch – zeigt aber eben auch, wie verräterisch unser Lachen eigentlich sein kann. Dürfte ein Außenstehender das genau so lustig finden? Und natürlich, viel wichtiger: Worüber darf man überhaupt lachen? Wo verläuft die Grenze zwischen Satire und persönlichem Angriff? Liegt es nicht vor allem im eigenen Ermessen, gibt es dafür überhaupt einen objektiven Maßstab? Und natürlich, die Frage, die in der heutigen Zeit an der Tagesordnung steht: »Wann kippt der wichtige und verdienstvolle Kampf gegen Diskriminierung in ein Gerangel um bloße Empfindlichkeiten?« Wie unterschiedlich der Humor von Nation zu Nation ist, zeigt sich daran, dass die New York Times seit Sommer 2019 in der internationalen Ausgabe keine politischen Cartoons mehr zeigen kann.

Dass das Buch keine eindeutigen Antworten auf diese Fragen bereithält, liegt in der Natur der Sache: Humor entsteht vor allem eben aus Widersprüchlichkeiten, aus Ambivalenzen, die der Geist nicht fassen kann, und liegt eher am Weg zur Erkenntnis, statt die Erkenntnis selbst zu sein. Doch Bossart gibt in diesem praktischen, schmalen Büchlein wichtige Denkanstöße – und verpackt wie zur Belohnung während der Lektüre auch den ein oder anderen Witz.

Yves Bossart
Trotzdem lachen. Eine kurze Philosophie des Humors
Blessing, 128 S.