National prägende Entwicklungen werden kenntlich durch »111 Orte, die von deutscher Geschichte erzählen«. Foto: Monika Ettl


Wesentliche Stationen und Personen, an und mit denen politische, ökonomische und kulturelle Weichen gestellt wurden, porträtiert Ralf Nestmeyer, Reisejournalist und Historiker, in einer Bildchronik. Seine Topografie ist aber nicht einfach eine Aufzählung, sondern pointiert widersprüchliches Gedenken wie an die zum Mythos verklärte Varusschlacht oder das Bismarck-Mausoleum als Reverenz für den kontrovers beurteilten Reichskanzler. Unproblematischer sind Hinweise auf die Schrebergärten in Leipzig oder den Beginn der Freibadkultur in Frankfurt. Vor allem demokratischer Emanzipation förderliche Ereignisse wie das Hambacher Fest oder das Institut für Sexualwissenschaft Berlin sind hervorzuheben. Dazwischen Kultstätten wie die Künstlerkolonie Worpswede und das Röntgenmuseum in Würzburg. Der Holocaust wird nicht verschwiegen, und sowohl die Prozesse als auch antisemitische Akteure wie der Philosoph Martin Heidegger sind berücksichtigt. Der Mauerbau, spätere DDR-interne Proteste sowie ebensolche etwa gegen Atomraketen und die Nutzung von Nuklearenergie lassen Durchgänge zur postmodernen Gesellschaft erkennen. In knappen Texten bekommt man so ein Kernwissen über Deutschland, das sogar – je näher zur Gegenwart, desto enger – in sich verknüpft ist, sodass Zusammenhänge evident werden. Genaue Recherche und geraffter Stil kennzeichnen die Qualität dieses Büchleins sowohl als touristischen Routenführer mit zugehörigen Adressen und verständliches Brevier mit Literaturtipps pro Kapitel für historisch Interessierte.

Ralf Nestmeyer
111 Orte, die von deutscher Geschichte erzählen
emons, 240 S.