Zugleich Hommage an italienische Klassiker: Francesca Benvenutos Debüt spielt im Neapolitanischen Jugendgefängnis. Foto: Sugirthan Baskaran.


Francesca Maria Benvenuto ist 1986 in Neapel geboren, dort aufgewachsen, hat Jus studiert und arbeitet jetzt als Anwältin in Paris. »Dieses Meer, dieses unerbittliche Meer« ist ihr erster Roman. Sein Held ist der fünfzehnjährige Zeno Iaccarino, eingesperrt in Nisida, dem Jugendgefängnis auf einer Insel vor Neapel. Zeno hat einen erschossen, der ihn erschießen wollte. Dort im Gefängnis überredet ihn eine Lehrerin, alles aufzuschreiben, was ihm so einfällt: wie sein Leben aussah, was er sich wünscht, woran er denkt. (Benvenuto hat sich also nicht nur den Namen Zeno aus der italienischen Literatur geholt, sondern auch die Grundannahme Italo Svevos, seinem Titelhelden Zeno Cosini einen Psychiater zur Seite zu stellen, der ihm rät, sein Leben aufzuschreiben.) Und weil Zeno in Forcella, einem Viertel von Neapel, das durch Armut und Camorra geprägt war, aufwuchs, schreibt er auch im neapolitanischen Dialekt. Im italienischen Original heißt das Buch: »L‘amore assaje«, schon das ist neapolitanisch und bedeutet »genug, reichlich, sehr viel an Liebe«. Zeno schreibt an seine »Professoressa«: »Bei uns Zuhause hats an Geld gefehlt, an Essen, sogar am Wasser … Aber an Liebe, da hats nie gefehlt.« Außen ist er hart, schlimm und kriminell, innen drinnen aber weich und voll Sehnsucht. So bleibt ihm nur, aus dem Fenster aufs Meer, dieses unerbittliche Meer, zu schauen und zu schreiben. Zeno beschreibt seine Mitgefangenen, alle mit ähnlichen Lebensläufen wie dem seinen, dann die Aufseher und auch – recht abschätzig – den Anstaltsgeistlichen und den Direktor. Was ihm dort im Knast Kraft gibt, sind die Gedanken an seine Mutter, seine kleine unschuldige Freundin und die Vorfreude auf den Ausgang, der ihm für die zwei Weihnachtsfeiertage versprochen wurde. Die Autorin hat diesen Zeno mit mehr Fähigkeiten ausgestattet, als ein Fünfzehnjähriger damals in den Neunziger Jahren dort in diesem Viertel wahrscheinlich je hatte. Dennoch gelingt es ihr, Mitgefühl und Mitleid hervorzurufen. Das Ende, so erwartbar es ist, zerreißt einem dennoch das Herz. Es ist immer wieder schwierig, Dialekte aus fremden Sprachen – in diesem Fall das neapolitanische Italienisch – in ein entsprechendes Deutsch zu übertragen, Christine Ammann fand den richtigen Weg.

Francesca Maria Benvenuto
Dieses Meer, dieses unerbittliche Meer
Ü: Christine Ammann
Kunstmann, 176 S.