Großangelegtes Werk über die Walzerfamilie Strauss und ihre Maßstäbe fürs Showgeschäft. Foto: privat


Diesen damals neuen, bis heute geltenden weltweiten Maßstäben und dem beispiellosen Aufstieg der Musikerfamilie, die Johann Strauss Vater begründete, spürt der Kulturwissenschaftler Michael Lemster behutsam und klug nach. Er wertet nicht, sondern versucht, das Kaleidoskop, in dem sich die Familie bewegte, begreifbar zu machen. Ein Versuch, der auf allen Ebenen gelingt.

Lemster konstruiert Innenansichten der familiären Verhältnisse und beginnt bei den Eltern und Großeltern von Johann Strauss Vater, dem Walzerkönig; er berichtet von der großen Konkurrenz zwischen dem Vater und zuerst dem ältesten Sohn Johann, Jean genannt, später auch den jüngeren Brüdern Pepi und Edi. Er macht die Besessenheit von der Musik transparent, deren perfekte Inszenierung und effektvolle Vermarktung das höchste Ziel der einst armen Familie war, das aber auch weniger schönes Licht auf die vermeintlich glanzvolle Zeit und schillernde Familie wirft.

Lemster wertet Briefe und Zeugnisse aus, analysiert und erzählt nicht nur von dieser bemerkenswerten Familie, sondern von einem Wien während des gesamten 19. Jahrhunderts. Nach seinen Familiengeschichten der Mozarts und Grimms trifft der deutsche Autor auch hier den Spagat zwischen Geschichtsschreibung und anregender Vermittlung: Er schreibt mit leichter Feder, im Plauderton, dringt aber tief ein, mutmaßt nachvollziehbar aufgrund von gesicherten Fakten, stellt Zusammenhänge her. Dabei ist er ein versierter Erzähler, der es vermag, einen umfangreichen Bilderbogen aufzublättern und die Spannung über 500 Seiten hinweg zu halten. Opulente Familiensaga!

Michael Lemster
Strauss. Eine Wiener Familie revolutioniert die Musikwelt.
Benevento, 496 S.