Ein thematisch dichtes Werk über den modernen politischen Diskurs – und seine literarischen Grenzen. Foto: Suhrkamp Verlag
Wer in Natasha Browns zweitem Roman nach den Elementen sucht, die ihr Debüt so herausragend gemacht haben, wird sowohl belohnt als auch enttäuscht werden. Da ist die sprachliche Präzision, da ist der zynische Blick auf die britische Gesellschaft, die von den großen Umbrüchen des 21. Jahrhunderts gezeichnet ist: Die Finanzkrise nach 2008, der Brexit, die Pandemie und der »Aufstieg der Wokeness«. Doch was in »Zusammenkunft« ineinandergegriffen und ein harmonisches Ganzes ergeben hat, stiftet in Browns neuem Roman hauptsächlich Orientierungslosigkeit.
An der Oberfläche handelt er von einer Journalistin, die eine Gelegenheit wittert: Hinter der skurrilen Story über einen Mann, der einen Kommunenkollegen mit einem gestohlenen Goldbarren bewusstlos geschlagen haben und untergetaucht sein soll, sieht Hannah eine postmoderne Parabel lauern. Ihre Reportage katapultiert sie vom existenziellen Abgrund zurück in ein annehmbares Leben. Doch spätestens hier, nach der Hälfte der Handlung, verliert sich diese in ihrem theoretischen Überbau und es wird klar: Der Autorin geht es um alles, was im heutigen öffentlichen Diskurs hitzige Debatten entfacht: Identitätspolitik, Rassismus, Klassismus, Kapitalismus. Die Theorien hinter den Figuren sind fundiert und spannend, aber im literarischen Kontext etwas erschöpfend. Das Buch hinterlässt demnach keine Sehnsucht nach literarischer Vertiefung, sondern eher den Wunsch, man hätte einen politischen Essay dieser scharfsinnigen Autorin zu lesen bekommen.
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Natasha Brown
Von allgemeiner Gültigkeit
Ü: Eva Bonné
Suhrkamp, 158 S.