Marina Barth huldigt in ihrer Romanbiografie der Kölner Unterhaltungskünstlerin Trude Herr. Foto: emons Verlag.
Ein unbekannter US-Rock-’n’-Roll-Song wurde erst in der deutschen Version zum Hit: »Ich will keine Schokolade, ich will lieber einen Mann!«, forderte Trude Herr lautstark und steuerte damit einen der wohl bekanntesten Beiträge zum Soundtrack der jungen BRD bei. Ein beschwingter Titel, der auch mehr oder weniger subtil den Mief der Wirtschaftswunderjahre unter Kanzler Adenauer bekrittelte: Konsumartikel en masse, Sinnlichkeit – Fehlanzeige. Dabei war die so leidenschaftlich Vortragende, der Marina Barth mit ihrer von vielen Originalzitaten gefütterten Romanbiografie ein Denkmal setzt, nicht unbedingt ein Sexsymbol ihrer Zeit: »Alle wollen die schöne Valente sehen. So ein Star will ich werden! Doch dafür stecke ich im falschen Körper! Ich bin kein ›Schüsschen‹, wie man in Köln sagt, ich verfüge eher über den Charme einer Kanonenkugel. Mit enormer Zerstörungskraft, sagt meine Familie. Eine Frau muss nicht klug oder stark sein, sie muss schön sein. Bella figura ist alles.« Und Trude Herr hatte eben eine Körperform, die nicht dieser Norm entsprach: Die 1927 in Köln-Kalk Geborene rief man wegen ihres Aussehens bereits in jungen Jahren im Dialekt ihrer Heimatstadt »dat Pummel«. Diesen vermeintlichen Makel machte Herr aber auf dem Weg zum Ruhm mit Talent, Humor, Ausstrahlung und einem unerschütterlichen Selbstbewusstsein wett. So sagt Herr im Roman, als die lokale Presse sie zur Nachfolgerin der Kölner Komödiantenkönigin Grete Fluss ernennt: »Was fällt denen ein? Ich bin niemandes Nachfolgerin! Ich – mein hochverehrtes Publikum – bin ein Original!«
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Marina Barth
Am Kronleuchter hängen wir nicht immer. Wie Trude Herr die Welt sah
emons, 272 S.