Natasha Browns literarisches Debüt ist trotz seiner Knappheit bereits gewaltig gefeiert –ohne auch nur irgendetwas zu beschönigen, schmettert sie darin Szene an Szene.
Als Frau in einer Führungsposition? Immer noch nicht selbstverständlich. Alltagsrassismus? Immer noch vorhanden. Natasha Browns namenlose Protagonistin erfährt beides am eigenen Leib, und auch wenn die englische Sprache anders als die deutsche funktioniert, so funktioniert „Zusammenkunft“ auch in der von Jackie Thomae (selbst ausgezeichnete Autorin) übertragenen Version so, wie es funktionieren soll – kurz, prägnant, einschlagend. Und das ist es, was dieses Debüt ausmacht: Die Art und Weise, wie mit einer Collage aus Szenen, die bewusst zugespitzt sind und in denen bewusst nichts ausgeschmückt oder umschrieben wird, auf das aufmerksam gemacht werden soll, was wir doch eigentlich alle wissen: „Sie, das Objekt“, er, „das Subjekt“.
Mit ihr schwimmen wir in ihren Gedanken, begegnen mit ihr den Diskriminierungen im Berufsalltag, „Er konnte sie von seinem Büro aus an ihrem Schreibtisch sehen und rief regelmäßig auf ihrer Durchwahl an, um auszusprechen, was er sah (und was er daraus machte): ihre Haare (wild), ihre Haut (exotisch), ihre Bluse (zu knapp über den Brüsten)“; der Krebsdiagnose, die ihr plötzlich ein Ausweg zu sein scheint aus diesem Leben, das sie immer wieder vor Fragen stellt. Und natürlich nimmt sie uns auch mit zur namengebenden Familienzusammenkunft – die Zugfahrt dorthin: ein Staccato durch die Welt ihrer Gedanken. „Zusammenkunft“ ist eher ein Trip als ein Buch. Natasha Brown hat selbst im Londoner Finanzsektor gearbeitet, Mathematik studiert, und widmet sich nun voll und ganz dem Schreiben. Ihre Worte sind präzise gewählt, nichts wird unnötig in die Länge gezogen. Sie schmettert kurze Sätze dahin, führt nichts umständlich ein. Es geht um Erniedrigung und doch auch darum, eben nicht aufzugeben, selbst wenn sich ihre Protagonistin immer wieder dazu hinreißen lässt darüber nachzudenken: „Generationen der Aufopferung; harte Arbeit, noch härteres Leben. So viel gelitten, so viel aufgegeben – für diese Chance. Für mein Leben. Und ich habe es versucht, habe versucht dem gerecht zu werden. Aber nach Jahren des Abmühens, des Ankämpfens gegen die Strömung, bin ich so weit, meine Arme sinken zu lassen.“
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Natasha Brown
Zusammenkunft
Ü: Jackie Thomae
Suhrkamp, 113 S.