Daniel Aschheims Darstellung des Dreiecks Bruno Kreisky–Judentum–Israel. Foto: privat.


Daniel Aschheim, Diplomat in Diensten des Staates Israel, hörte erstmals während seines Geschichtsstudiums an der Hebrew University in Jerusalem den Namen »Bruno Kreisky« – und war verwundert, dass es in der Heimat Adolf Hitlers einen jüdischen Bundeskanzler gab! Kollegen im Außenministerium reagierten jedoch abweisend bis verächtlich auf den Namen. Das löste noch größere Neugier bei Aschheim aus. Nun liegt seine 2022 in einem US-Hochschulverlag erschienene, recht gut lesbare Dissertation ohne Fußnoten auf Deutsch vor.

In Themen-Kapiteln umkreist er Kreiskys Judentum, die österreichische Opferthese und Nazi-Vergangenheit, den Überfall von Marchegg, den Nahostkonflikt und sein Vermächtnis. Es geht um Zeit, Überzeitliches, Akkulturation und politisch opportunen Opportunismus, um Grundüberzeugungen und Machtinstinkte. Insgesamt ergibt sich ein komplexes, an überraschenden Stellen fragmentiertes Bild, eine Kombination von Paradoxen – berühmt Kreiskys Sagers zu Shimon Peres: »Wenn ich nicht gegen Sie wäre, wie könnte ich Ihnen dann helfen?« –, von Aschheim instruktiv ausgeleuchtet.

Wie Eric Frey, Leitender Redakteur der Zeitung DER STANDARD, der den Text gut ins Deutsche übertrug und ein kluges Vorwort beisteuerte, es fein auf den ambivalenten Ausdruck bringt: Kreiskys Beziehung zum Judentum mutet gleichzeitig aus der Zeit gefallen und sehr modern an. Dass die Drucklegung eines Geschichtsbuchs, mit dem man nicht nur einiges über die Gegenwart (Diplomatie, Gesprächsbereitschaft etc.) erfahren, sondern vieles lernen kann, möglich wurde durch Unterstützung des Zukunftsfonds der Republik Österreich – kann ein solcher publizistischer Glücksfall noch subtiler zum Ausdruck gebracht werden?!

Daniel Aschheim
Kreisky, Israel und die Juden. Ein Politiker und Visonär im Fokus der Weltgeschichte
Ü. und mit Vorwort v. Eric Frey
EcoWing, 208 S.