Ferne Länder: Marian Brehmer führt durch die Wirkungsorte der islamischen Sufis.
»Wer vermutet schon in der kargen Steppe an der iranisch-afghanischen Grenze subtile Weisheiten?« Der 1991 geborene Marian Brehmer, freier Autor für diverse Tageszeitungen, lebt selbst in Istanbul und beschäftigte sich bereits in einer früheren Publikation mit dem persischen Mystiker Dschalaluddin Rumi. Mit diesem opulenten Bildband setzt er nun seine Reise fort und begibt sich auf die Spuren der Sufis. Von Andalusien bis Anatolien, von Persien bis in den Punjab, es ist ein weiter Raum, der von den islamischen Mystik geprägt ist.
Das arabische Wort »Suf« bedeutet ganz einfach »Wolle«, eine nicht einmal subtile Anspielung auf den Stoff der Gewänder, die die ersten muslimischen Asketen trugen. Der Sufismus, erzählt Brehmer im Vorwort, geht auf den Propheten Mohammed zurück, gewissermaßen der erste Sufi, dessen empfangene göttliche Botschaften Generationen unzähliger späterer Mystiker inspirierten, in der Einsamkeit ihres Herzens auf die Suche nach Gott zu gehen – durch die Auflösung ihrer Selbst im göttlichen Prinzip und die absolute Gotteserkenntnis. Bekannt sind vielen sicherlich auch die Derwischs, denen Brehmer ebenfalls ein Kapitel widmet. Sie lösen durch die Trance der Drehung die Grenzen der physischen Welt auf. Je stärker die Sinneswahrnehmung verschwimmt, desto mehr nähert sich der Derwisch dem Zustand der Einheit.
Das Wort »Sufismus« suggeriert fälschlicherweise einen abgeschlossenen Bereich, eine Lehre, die erfahrbar sein könnte, doch: »Ein Sufi fragt nicht, was ein Sufi ist«. Der Hauch des Ungreifbaren, Unerfahrbaren umweht die religiöse Mystik und dieses Wesen des Sufismus, diese inhärente Unmöglichkeit der Definition ist es auch, was die Orte, die Bremer im Rahmen dieses Bildband-Projektes besuchte, so anziehend macht.
Dabei wäre es zu kurz gegriffen, alleine von einem Bildband zu sprechen: Das Buch beinhaltet nicht nur Wissenswertes über Kultur, Geschichte und Religion, ist Reiseführer und Coffeetable-Book, sondern wird auch begleitet von Auszügen aus der Sufi-Literatur, die philosophische Reflexionen auf die eigene Lebensweise beschwören, etwa: »Wenn eine Ameise den Rang Salomons anstrebt, so lächle nicht verächtlich über ihr Streben« (Rumi). So entsteht eine gelungene Balance zwischen Text und Bild, Brehmer wirft einen frischen Blick auf diese Tradition des Islams und ermöglicht auf diese Weise einen neuen, spannenden Zugang auch zur Religion selbst.
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Marian Brehmer
Sich den Durst aneignen. Reisen in die Welt der Sufis.
Corso, 192 S.