In Jana Volkmanns rätselhaft-schönem und verästeltem Roman »Auwald« klafft ein »Riss in der Wirklichkeit« – oder erläuft eine »winzige Laufmasche im Weltzusammenhang«. Foto: Manfred Poor.
Möglicherweise gespenstert die Holzhandwerkerin Judith also nur durch ihr Leben – so fremd, spuren- und eigenschaftslos, aber mit geschärft-subtiler, sinnlicher Wahrnehmung bewegt sie sich von Beginn an durch öffentliche Räume, ihre Beziehung, die anachronistische Werkstatt, Natur und Zeit. Sie ist eine, bei der »man selten weiter als bis zur Haut« kommt. Hölzern erscheint Judith, wie das formbare Material, mit dem sie sich am besten auskennt. Leben findet für sie in den zu restaurierenden Möbeln anderer statt. Dann kommt der große Rucksack ins Spiel: Wie von selbst angefüllt mit ihren wichtigsten Habseligkeiten und Proviant drängt er Judith zum Aufbruch. Genug der unbezahlten Überstunden. Der Zufall bringt sie per Schiff von Wien nach Bratislava. Nicht aber von dort zurück. Oder doch, aber anders. Aus dem Tagestrip wird eine Reise der Verwandlung. Behutsam und anschaulich lässt Volkmann ihren Roman an Schwellen, an den Rändern von Löchern tänzeln, immer wieder hineinkippen ins Fantastische. In der üppigen Auenlandschaft der Donau »stakst« nun eine Judith durchs unwegsame Gelände und geht verschollen, um dem Überleben eines namenlosen, rauschhaft erzählenden Ichs Platz zu machen. »Judiths Vorstellung vom Wegsein hatte nichts mit Tod und Sterben zu tun, es war bloß ein Wegsein aus dem, was war.« Es ging ihr um ein »anderes Dasein«. Und das konnte überall hinführen, ins Eigene, zur vorübergehenden Tierwerdung oder zu Gefährten im Geiste.
Jana Volkmann,
„Auwald“ (Verbrecher)
184 S.