„Ich bin der größte Feminist der Welt“ – mit diesem Satz werden wir in den Roman „Der Feminist“ des 1978 geborenen spanischen Autors Iván Repila hineinkatapultiert. Alles darin dreht sich um die eine Frage: Kann ein Mann ein Feminist sein?


Das Erweckungserlebnis der namenlosen Hauptfigur ist ein heimlich beim Sex gedrehtes Video seines Mitbewohners. Den Journalisten erfüllt dies mit Unbehagen – so etwas tut ein Mann doch nicht! Als er sich auf einem Vortrag von Siri Hustvedt auch noch in Genderforscherin Najwa verliebt, ist es um ihn geschehen. „Feminist“ ist für ihn ab sofort kein Schimpfwort mehr. Geduldig führt Najwa ihn in den Kanon ein: von Judith Butler, zu Rebecca Solnit bis hin zu „I Spit on your Grave“, einer Trashfilm-Perle aus den 1970er-Jahren, ganz tief aus der popkulturellen Referenz-Schatzkiste.

Immer mehr verwandelt sich die Hauptfigur in eine feministische Diskursschleuder, entdeckt nun überall das frauenunterdrückende Patriarchat und strukturelle Ungleichheit. Was der Frauenversteher aber nicht versteht: Warum, verdammt nochmal, machen all diese Ungerechtigkeiten Frauen nicht so wütend wie ihn? Warum beschweren sie sich zwar, beispielsweise über sexuelle Übergriffe, ziehen aber nicht in den Krieg gegen ihre Unterdrücker? Frustriert von der feministischen Bewegung muss er demnach selbst Hand anlegen, überlegt sich kurzerhand den Nom de guerre „Garbo“ und beginnt einen Kampf für die „gute Sache“ – zumindest, was er darunter versteht …

Selbst wer nur ab und zu bei Twitter, Facebook und Co vorbeischaut, kennt ihn: Den Prototypen des modernen Feministen – aufgeklärt, ausgerüstet mit Gender-Sternchen, patriarchale Strukturen entlarvend und dabei immer ein bisschen herabblickend auf die machoide, männliche Unterschicht, die es eben „nicht besser weiß“. „Der Feminist“ ist genau deshalb eine kluge, scharf beobachtete Gesellschafts-Satire mit überraschenden Wendungen und einem unerwarteten Ende. Der Epilog zum Roman wartet zusätzlich mit einer „Hirnwichserei“ der feinsten Sorte auf: ein Pastiche aus erfundenen und realen feministischen Werken, inklusive einer Fußnotenorgie zum Schmunzeln – quasi ein Diskurs um des Diskurses willen als kleines Sahnehäubchen obendrauf. Erfrischend: Im Gegensatz zu den männlichen „Allies“ (also den Verbündeten, die so gerne feministische Postings retweeten und sich als besondere Unterstützer im Dienste der feministischen Bewegung gerieren), gibt Repila wie selbstverständlich nicht nur seine Quellen bekannt, sondern bedankt sich auch bei ihnen für ihre Geduld. Natürlich weiß der Autor, dass auch er ein „Mansplainer“ ist, also ein Mann, der Frauen etwas erklärt, von dem sie eigentlich mehr Ahnung haben. Er macht dies allerdings so gefinkelt, dass selbst Hardcore-Feministinnen wie die Rezensentin ihm nicht böse sein können.

Iván Repila, „Der Feminist“ (Suhrkamp Nova),
Übers. v. Matthias Strobel, 216 S.