Hunger und Freiheit als treibende Kräfte, um zu überleben und zu kämpfen. Foto: Nick Gregan


Sehr langsam und still hebt dieser bemerkenswerte Roman an. So still und langsam wie die Hungernden von Doolough im Jahr 1849 unterwegs waren, um die englischen Herren um Hilfe in ihrer Not zu bitten. Vergeblich. Kaum jemand überlebte den Hungermarsch.

Dieses für Irland prägende historische Ereignis ist Ausgangspunkt für einen traurigschönen Roman, der unter die Haut geht und noch lange nach Abschluss der Lektüre in einem verhaften bleibt. Die irische Autorin und Historikerin Jacqueline O‘Mahony gibt der namenlosen Menge der Hungernden Gesichter und Körper und schreibt die Geschichte fort, indem sie die der Honora O’Neill erzählt. Eines Mädchens, dessen Schicksal laut ihren Leuten verflucht sei, weil ein Rotkehlchen bei ihrer Geburt durchs Zimmer flog und ihre Mutter im Kindbett starb. Honora ist anders, eigen, sie verbringt viel Zeit allein im Wald, spricht wenig, ist aber klug und gut in der Schule. Und in ihr sitzt ein großer Drang nach Freiheit. Als einzige Überlebende des Hungermarsches gelingt ihr als blinde Passagierin die Überfahrt nach New York. Sie dient als Hausmädchen, erreicht den Westen, muss als Prostituierte ihr Dasein fristen, bis ein sie Freier erlöst.

Welten prallen aufeinander, die der Iren und der Engländer, der weißen Amerikaner und der amerikanischen Ureinwohner, aber am versöhnlichen Ende fügt sich alles.

O’Mahony hat einen eindringlichen Roman verfasst, brutal und rau, gleichzeitig zart und poetisch, voller Naturbeschreibungen, Hitze, Kälte, Armut, Hunger und zarter Gefühle. Sie vermag damit einem dunklen Kapitel der irischen Geschichte eine weibliche Stimme zu geben, ein zartes Gesicht, an das man sich noch lange erinnert.

Jacqueline O’Mahony
Sing, wilder Vogel, sing
Ü: pociao und Roberto de Hollanda
Diogenes, 364 S.