Festliche Bücher: Traditionen, die verbinden; Geschenke, die helfen; und ein literarischer Spaziergang durch das weihnachtliche Prag. Illustrationen: Kateryna Borysyuk


Advent und Weihnachten fallen auch heuer wieder in wenig lichte Zeiten. Die Kriege, Katastrophen und Krisen des vergangenen Jahres überschatten das schönste Fest des Jahres. Sich auf das Wesentliche im Leben zu besinnen und der Hoffnung trotzdem Raum zu geben ist wichtiger denn je. Vier Bücher wärmen uns in kalten Zeiten.

Licht ins Dunkel und ein bisschen Frieden: In einem Land, in dem Weihnachten viele Jahre nur im Untergrund gefeiert werden konnte und das seine Freiheit nun wieder verteidigen muss, kommt dem Fest der Geburt Jesu besondere Bedeutung zu. Die Ukraine steht vor dem zweiten Kriegswinter in Folge. Zumindest symbolisch hat sich das Land von Väterchen Frost befreit: Weihnachten wurde offiziell vom 7. Jänner (da feiert die russisch-orthodoxe Kirche) auf den 25. Dezember verlegt. Auch Nadijka Herbischs und Jaroslaw Hryzaks »Ukrainische Weihnacht« erinnert an die Frohbotschaft, die sich, trotz allem, immer wieder durchsetzt(e): 1914 ließen deutsche und britische Soldaten zu Heiligabend und am nächsten Tag spontan die Waffen ruhen, trafen sich auf neutralem Boden und tauschten Lebensmittel aus. Gerüchten zufolge spielten sie sogar Fußball miteinander. Das Wunder wiederholte sich an der Ostfront zwischen österreichischen und russischen Soldaten.

Unter den Sowjets war Weihnachten verboten. Gegen den Tannenbaum richtete aber selbst Stalin auf Dauer nichts aus: Ab 1935 durfte er wieder aufgestellt werden – auf seiner Spitze prangte freilich der rote Stern. In Kiew ist der Christbaum seit Mitte des 19. Jahrhunderts verbürgt, auf dem Land putzte man stattdessen den Diduch – einen geschmückten Strauß aus Weizengarben – auf. Der Nikolaus bringt die Geschenke und das Krippenspiel geht auf Franz von Assisi zurück, der 1223 für die Armen Szenen aus den Evangelien nachstellte. Am Weihnachtsabend kommen zwölf Gerichte (für die zwölf Apostel), darunter Borschtsch und Kutja (eine Süßspeise aus Weizen) auf den Tisch, auf dem immer ein Teller mehr steht, als Menschen im Haus wohnen. Der Fußboden wird mit Heu bestreut – eine Reminiszenz an den Stall von Bethlehem. Und die frohe Botschaft wird, Lieder singend, von Haus zu Haus weitergetragen. Solange wir Weihnachten feiern, heißt es im Buch, können wir weder besiegt noch zerstört werden.

Ein kulinarischer Spaziergang durch die Stadt der (Nächsten-)Liebe, die im Advent im Lichtermeer versinkt, ist Murielle Rousseaus und Marie Preauds »Weihnachten in Paris«. Der prächtige Band wartet mit einer Geschichte der Pariser Weihnachtsmärkte, einem Verzeichnis handverlesener Läden, stimmungsvoller Kirchen und Parks und einfach nachzukochenden bzw. -backenden Rezepten auf: Von Orangen-Zimt-Macarons bis zum »Holzscheit«-Kuchen, von der herzhaften Mitternachts-Zwiebelsuppe bis zum festlichen Truthahn mit Maronen und Weintrauben. Père Noël kommt in der Nacht vom 24. auf den 25. Dezember und wer ihm einen Brief schreiben will, kann das von Mitte November bis Mitte Dezember tun. Die französische Post belohnt jedes Kind mit einer standardisierten Antwortpostkarte. Aber sogar der Weihnachtsmann geht mit der Zeit: Mittlerweile empfängt er auch elektronische Wünsche. Den Christbaum stellt man schon bis zu vier Wochen vor dem Fest auf, das man mit Familie und Freunden feiert. Dabei soll auch nicht auf die vergessen werden, deren Gabentische zu Weihnachten leer bleiben. Zwei Millionen Menschen in Paris und Umgebung sind armutsgefährdet. Wie und wo man sie unterstützen kann – auch davon erzählt dieser Wegweiser durch das (vor-)weihnachtliche Paris, der mit vielen persönlichen Erinnerungen gespickt ist.

Die Reise- und Kulturjournalistin Ilse Retzek lockt mit einem Winter, wie er früher einmal war. Ihr »Winterzauber im Salzkammergut« reicht von Altaussee bis Gosau, vom UNESCO-Weltkulturerbe Hallstatt-Dachstein bis nach Bad Ischl, das 2024 Kulturhauptstadt Europas wird, aber noch immer das Erbe der k. u. k. Monarchie atmet. Dort, auf der Rettenbachalm, wo anno dazumal Franz Joseph mit seiner Jagdgesellschaft einkehrte, ist angeblich der Kaiserschmarrn erfunden worden – aus Schreck über den hohen Gast soll der Wirtin der Teig in kleine Stücke gerissen sein. Bereits legendär ist auch die Küche Lukas Nagls, der 2023 Koch des Jahres wurde und u. a. Süßwassermuscheln aus dem Traunsee serviert.

Die Salzwelten in Hallstadt sind weltberühmt, genauso wie die Gmundner Keramik. In Atter-, Mond- und Traunsee entdeckte man Überreste von Pfahlbausiedlungen. Ein echtes Fossil ist auch Helmut Gapp aus Gosau, der Steine zu Vasen, Schmuckstücken oder Schüsseln drechselt. Die Seifensiederin Karina Wimmer stellt in Bad Goisern Soleseifen her. Wer noch nie Kaviarsenf probiert hat, kommt bei Rainer H. Baumgartner in St. Agatha auf seine Kosten. Mit einem Huskygespann Schlitten fahren kann man am Offensee.

Auch das ist die (finstere) Geschichte des Salzkammerguts: Im Stollensystem des Salzbergwerks Altaussee bunkerten die Nazis Raubkunst für das »Führermuseum« in Linz: Gemälde von Rubens, Dürer, Rembrandt, Vermeer, den Genter Altar der Brüder van Eyck und Michelangelos »Madonna mit Kind«. Die angeblich im Toplitzsee versenkten Goldbarren wollten sich bislang nicht heben lassen.

Drei Männer im Schnee folgen dem Stern: Ein literarisches Fest beschert uns Jaroslav Rudiš’ wundersam-ironische Erzählung »Weihnachten in Prag« (die stimmungsvollen Bilder hat der Maler und Comiczeichner Jaromír 99 beigesteuert). Um sich die Wartezeit auf seine Freunde zu verkürzen, streift der Ich-Erzähler durch die Stadt an der Moldau und macht dabei die Bekanntschaft von drei wunderlichen Gestalten: dem halbseidenen König von Prag, der die Schlüssel zu allen Häusern der Stadt besitzt; Kavka mit »v«, dessen Kopf nach einem Glas Bier leuchtet wie eine Gaslaterne; und die Mailänderin Stella, deren verstorbener Mann von einer Karriere als Straßenbahnfahrer in Prag träumte. Gemeinsam ziehen sie durch die schneekalte, menschenleere Stadt, kaufen Weihnachtskarpfen, die sie in die Freiheit der Moldau entlassen (denn es könnten verwandelte Dichter sein), verlieben und entlieben sich und stranden in den Kneipen. Das Christkind ist ein alter Eisenbahner und am Ende gibt es sogar Geschenke aus dem Fundbüro für alle, die sonst leer ausgehen. Und sollte das alles nur ein Traum gewesen sein, dann war er so schön wie Prag zur Weihnachtszeit oder ein Wunder im Nebel der Geschichte.

Und vielleicht ist Weihnachten ja genau das: das Leuchten der Hoffnung auf ein Wunder inmitten des frostigen Winters.

Nadijka Herbisch, Jaroslaw Hryzak
Ukrainische Weihnacht
Ü: Stephan Pauli
HarperCollins, 128 S.

Murielle Rousseau, Marie Preaud
Weihnachten in Paris
Christian, 192 S.

Ilse Retzek
Winterzauber im Salzkammergut. Schneewanderungen, Kulturerlebnisse & Traditionelles
Styria, 192 S.

Jaroslav Rudiš
Weihnachten in Prag
Ill: Jaromír 99
Luchterhand, 96 S.