Cynthia Zarins berückende Geschichte einer zerstörerischen Liebe. Foto: Sara Barrett


Caroline steht im verschneiten Central Park. Sie wartet auf den Rückruf von Alastair. No reply. Mit dieser Szene eröffnet Cynthia Zarin, vielfach prämierte US-Autorin, ihren Romanerstling »Inverno«. Caroline wartet, starr vor Kälte, und sucht ihr Leben zu begreifen. Doch aus Erinnerung und Grübelei ist kein verbürgtes (Selbst-)Bild zu gewinnen. Die Wahrheit windet sich wie eine Schlange, entgleitet allzu leicht. Entsprechend schwankt Zarins Erzählstimme zwischen auktorialer und personaler Perspektive; bisweilen tritt sie in Dialog mit einem diffusen Du.

Unscharf bleiben auch die Lebensbilder der beiden Liebenden. Manche Facette nimmt dennoch klare Konturen an, Carolines traumatische Vater-Beziehung zum Beispiel, oder Alistairs Hang zur Selbstzerstörung. Vor Jahrzehnten waren die beiden ein Paar, mit schier grenzenlosen »Methoden, einander unglücklich zu machen«. Irgendwann begann das Auseinanderbrechen, sie fanden neue Partner, wurden Eltern – und kamen doch nie voneinander los.

Zarin akzentuiert die Maß- und Perspektivlosigkeit dieser Liebesgeschichte durch Sequenzen aus Literatur, Film und Musik. Andersens Kunstmärchen »Die Schneekönigin« kehrt leitmotivisch wieder, auch ein Zitat aus dem Film »Butch Cassidy und Sundance Kid«: »Bei dieser Szene passe ich lieber«. Noch viele Motive blitzen mehrfach auf – das Telefon, das Messer, der Spiegel –, gleich Fangeisen der Vergangenheit.

Ein grandioser Roman »voller Eis«, von der Autorin Esther Kinsky virtuos ins Deutsche übertragen.

Cynthia Zarin
Inverno
Ü: Esther Kinsky
Suhrkamp, 192 S.