Dylans »Philosophie des modernen Songs« erschien am 2. November weltweit zeitgleich.
Songs sind kleine Mysterien. Es gibt keine Formeln oder Rezepte, warum gewisse davon wirklich zeitlos funktionieren und die meisten davon eben nicht.
Viele machen sich darüber Gedanken, aktuell einer, der es am Besten wissen muss: Literatur-Nobelpreisträger Bob Dylan. In seinem neuesten Buch wandelt er auf den Spuren von Songs aus der Pop- und Rockgeschichte, die ihn beeindruckt haben, und von Liedern aus älteren, archaischen Zeiten, die ihn beeinflusst haben. Über sechzig Lieder werden auf sehr persönliche Art beschrieben, in einem weiteren kurzen Artikel diskutiert Dylan die Hintergründe ihrer Autoren (Autorinnen sind in deutlicher Minderheit). Mit den ihm eigenen, lakonischen, gleichzeitig saloppen und präzisen Anmerkungen. Ein Beispiel etwa Elvis Costellos »Pump It Up« von 1978: »Der Song kommt auf glühenden Kohlen mit anzüglichen Blicken daher, mit himmlischer Propaganda und Verunglimpfungen, die man sowieso nicht versteht«. Das Spektrum ist weit, reicht von Entertainern wie Perry Como über relativ Unbekannte wie Jimmy Wage oder Politaktivisten-Bands wie The Fugs bis zu Rockern wie den Who. Auch der frühe Rock’n’Roll wird beschrieben, etwa Little Richard mit besagtem »Tutti Frutti«. Und auch wenn wichtige Interpreten oder Rivalen wie Bruce Springsteen oder Paul Simon oder die Beatles fehlen mögen, Dylan entwirft mit seiner recht persönlich gehaltenen Auswahl eine alternative Geschichte der populären Kultur, mit einigen philosophischen Ausflügen, oder alles in allem eine große Liebeserklärung an das Medium: »Musik überwindet die Zeit, weil sie in ihr lebt, so wie es die Reinkarnation einem ermöglicht, das Leben zu überwinden, indem man es immer wieder von Neuem lebt.«
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Bob Dylan
Die Philosophie des modernen Songs
Ü: Conny Lösch
C.H.Beck, 352 S.