21 Mathias Enard – Kompass

Einen »eskapistischen Roman« nennt Ijoma Mangold das Werk des französischen Schriftstellers und Übersetzers. Darin erzählt ein Wiener Musikwissenschaftler um sein Leben: Den Tod vor Augen erzählt er in nur einer schlaflosen Nacht von seinen Forschungsreisen nach Istanbul, Damaskus, Aleppo, Palmyra, und von seiner großen Liebe, der berühmten Orientalistin Sarah. 1001 Nacht trifft hier die Gegenwart und schafft ganz großes Kino.

Mathias Enard
Kompass
Ü: Holger Fock, Sabine Müller
Hanser 2016, 432 S.


20 Cormac McCarthy – Die Straße

Eine Geschichte von der Welt nach dem Ende der Welt, von zwei Überlebenden, Vater und Sohn, die sich durch eine postapokalyptische Zerstörung Richtung Küste manövrieren, »eine düstere Parabel auf das Leben« schreibt der Verlag. Sylvia Treudl lobt in Ausgabe 111: »Dieses Stück Literatur bricht über Leser/innen herein, überschwemmt, verschlingt – und mahnt auf bedrückende Weise, ohne den moralischen Zeigefinger zu heben.«

Cormac McCarthy
Die Straße
Ü: Nikolaus Stingl
Rowohlt 2007, 256 S.


19 Sally Rooney – Normale Menschen

Als die Stimme einer Generation wird sie bezeichnet. In Rooneys zweitem Roman, mittlerweile auch als Serie verfilmt, folgt sie der Beziehung zwischen Connell und Marianne über mehrere Jahre hinweg. Dialoglastig wie eh und je schreibt sie von Freundschaft, sozialen Strukturen, Sex und Machtstrukturen. »Das Allwissen über die Innenleben der Protagonist/innen ist Teil dieser grandiosen Kampfansage an die Oberflächlichkeit, die Rooney leistet.« (Katia Schwingshandl in Ausgabe 191).

Sally Rooney
Normale Menschen
Ü: Zoë Beck
Luchterhand 2020, 320 S.


18 Christoph Ransmayr – Atlas eines ängstlichen Mannes

»Er hebt einen Augenblick, eine Zeitspanne aus dem Geschehen hervor, es war vorher etwas und es wird auch nach dem Ende der Geschichte weitergehen«, so Konrad Holzer in Buchkultur 146. Dieser groß erzählte Weltatlas beweist einmal mehr, dass der vielfach ausgezeichnete Ransmayr auch im 21. Jahrhundert einen Platz im Kanon verdient. An epische Orte, in Vulkane und Flüsse, führt der Erzähler des Atlasses seine Leser/innen, fügt Landkarten und Menschenleben zusammen, kartografiert Schicksale.

Christoph Ransmayr
Atlas eines ängstlichen Mannes
S. Fischer 2012, 464 S.


17 José Saramago – Eine Zeit ohne Tod

Diesem Roman hat der portugiesische Nobelpreisträger die Frage vorangestellt: Was passiert, wenn plötzlich niemand mehr stirbt? Er rühre an der archaischen Angst vor dem Tod, so die FAZ 2007. Konrad Holzer sieht darin einen Verweis auf die Realität (BK 115): »Was Saramago da beschreibt, wie das Land mit Alten, Moribunden, Gebrechlichen, Dahinsiechenden, die nicht sterben können, übervölkert wird, ist ja nicht so weit weg von einer Wirklichkeit, wie sie uns in die Soziologen für die nächsten Jahrzehnte ausmalen.«

José Saramago
Eine Zeit ohne Tod
Ü: Marianne Gareis
Rowohlt 2007, 256 S.


16 Hilary Mantel – Wölfe

»Hilary Mantel erzählt natürlich nicht nur chronologisch dahin, sie hat auf der einen Seite den langen Atem, einem die Geschichte Englands nahezubringen, andrerseits auch die Gabe, mit kurzen, intensiven Szenen zu beleben«, schwärmt Konrad Holzer in Ausgabe 134. Zehn Jahre lang lenkte Thomas Cromwell die englischen Geschicke. Mantels Roman rund um seinen Aufstieg sowie die Fehde zwischen Cromwell und Thomas Morus erhielt 2009 den Booker Prize. Zu Recht.

Hilary Mantel
Wölfe
Ü: Christiane Trabant
DuMont 2010, 768 S.


15 Amos Oz – Eine Geschichte von Liebe und Finsternis

Diese »Geschichte«, die der israelische Schriftsteller erzählt, ist stark autobiografisch gefärbt, Batya Gur nannte das Buch eine »nationale Biografie«, so universal repräsentiert es vieler Menschen Schicksale im vorigen Jahrhundert. Im Original 2002 erschienen (Dt. 2004), schreibt Oz von seiner Familie und erzählt von enttäuschter Liebe zwischen Menschen und Kulturen, von Katastrophen und von Gräben, die überwunden werden wollen.

Amos Oz
Eine Geschichte von Liebe und Finsternis
Ü: Ruth Achlama
Suhrkamp 2004, 828 S.


14 Nino Haratischwili – Das achte Leben (Für Brilka)

Einen gewichtigen Jahrhundertroman hat die georgische, in Berlin lebende Autorin Nino Haratischwili geschrieben. Er setzt mit Stasia, Tochter eines Schokoladenfabrikanten, ein, folgt fünf Generationen voller beeindruckender starker Frauen quer durch die UdSSR und die Jahrzehnte und gibt das geheime Heiße Schokoladenrezept von Stasias Vater wie ein Zepter weiter. In sieben Bücher gliedert sich die 1300 Seiten schwere Familiensaga.

Nino Haratischwili
Das achte Leben (Für Brilka)
FVA 2014, 1280 S.


13 Siri Hustvedt – Was ich liebte

Kunsthistoriker Leo Hertzberg und Maler Wil­liam »Bill« Wechsler freunden sich an und ziehen mit ihren Familien ins gleiche Haus. Irgendwo zwischen Familiendrama und Psychothriller siedelt sich dieser Roman der US-Amerikanerin an. Sylvia Treudl schreibt in BK 85: »Trotz seiner Trauer über die vielen schmerzhaften Abschiede in seinem Leben erzählt Leo die lange wechselvolle Geschichte in einer Rückschau, die ihn bewegt, ihn aber auch am Leben hält.«

Siri Hustvedt
Was ich liebte
Ü: Uli Aumüller, Erica Fischer, Grete Osterwald
Rowohlt 2002, 480 S.


12 Jonathan Franzen – Die Korrekturen

Ein Großmeister der Erzählkunst: Dieser Fami­lienroman machte Franzen 2001 auch interna­tio­nal bekannt. Themen wie Biotechnologie, Neue Medien und Rollenbilder werden wie nebenbei aufgegriffen. Mutter Enid möchte zu Weihnachten ihre drei verstreuten Kinder um sich scharen. »Geschult aus den Klassikern des 19. Jahrhunderts, zeigt er ein sehr lebendiges Bild der gegenwärtigen US-amerikanischen Gesellschaft«, lobte die Buchkulturredaktion in Ausgabe 90.

Jonathan Franzen
Die Korrekturen
Ü: Bettina Arbabanell
Rowohlt 2002, 832 S.


11 Mark Z. Danielewski – Das Haus

»Rätselbuch, Labyrinth voller Geheimnisse und typografische Wundertüte«, staunt Alexander Kluy in Ausgabe 114. Ursprünglich im Internet vor sich hin gewuchert, wurde es 2000 in Buchform veröffentlicht. Mehrere Handlungsebenen, darunter ein Pulitzer-Preisträger, der mit seiner Familie in ein Haus zieht, ranken sich durch die Seiten. Noch heute wird das Horrorwerk des Schriftstellers mit polnischen Wurzeln auf Hochschulen entziffert.

Mark Z. Danielewski
Das Haus
Ü: Christa Schuenke
Klett-Cotta 2007, 827 S.