Eine literarische Wiederentdeckung, die aktueller kaum sein könnte. Illustration: Jorghi Poll.


Als der Verlag Das Kulturelle Gedächtnis letztes Jahr Su­sanne Kerckhoffs Nachkriegsroman »Berliner Briefe« neu auflegte, avancierte das Buch zum Überraschungserfolg, der den Weg für die Wiederentdeckung des Gesamtwerks dieser in Vergessenheit geratenen Autorin ebnete. Mit der Neuauflage von Kerckhoffs erstmals 1947 erschienenem Roman »Die verlorenen Stürme« ist nun ein weiterer wichtiger Schritt auf dem Weg zu ihrer literarischen Rehabilitierung getan. Denn der Roman, der im Jahr 1932 – kurz vor den zu Hitlers Machtergreifung führenden Wahlen – spielt, könnte heutzutage angesichts aktueller politischer Entwicklungen und Reaktionen auf prominente Formen des jugendlichen Aktivismus wie beispielsweise die Klimastreikbewegung relevanter kaum sein: Er folgt einer Gruppe von idealistischen Berliner Jugendlichen, allen voran die in einem privilegierten intellektuellen Milieu aufwachsende Marete, die sich politisch und vor allem antifaschistisch engagieren wollen, dabei jedoch immer wieder an der Ignoranz und Teilnahmslosigkeit ihrer Elterngeneration scheitern. Auch wenn der Anfang etwas sperrig daherkommt, ziehen die – teils tragischen – Schicksale der Hauptfiguren die Leserin bald in ihren Bann, denn Kerckhoff gelingt es, mit ihrem Erzählton den jugendlichen Idealismus, die Leidenschaft, aber auch die Naivität ihrer Protagonist/innen perfekt einzufangen. Umso trauriger blicken wir mit dem Wissen der heutigen Zeit dem Ende ihrer politischen Bemühungen entgegen, das nicht unausweichlich hätte sein dürfen.

Dieser Artikel erschien zuerst in Buchkultur 199, Dezember 2021.

 

Susanne Kerckhoff
Die verlorenen Stürme
Das Kulturelle Gedächtnis, 208 S.