Von einem Leben, das nur in der Grenzenlosigkeit Kontur gewinnt. Foto: Borg Hakon.


»Ich absorbiere alles, ich habe keine Filter.« Mit diesen einleitenden Worten setzt die junge norwegische Autorin Gine Cornelia Pedersen bereits den Rahmen für einen tastenden, rebellierenden und maßlosen Text, an dem nichts gefällig, aber vieles bemerkenswert ist. Die namenlose Protagonistin in »Null« wächst auf dem Land auf, hält in Disneyfilmen vor allem zu den Bösen und stellt nach der Trennung ihrer Eltern fest, »dass das Konzept Zuhause niemals existiert hat«. Sie erlebt keine sicheren, Halt gebenden Bindungen, niemand gibt ihr Wurzeln, die sie fest verankern, folglich muss sie sie selbst suchen in einem Leben, das ihr nichts schenkt. In kurzen Sätzen, ohne Punkte und Schnörkel, schildert die Protagonistin ihr Erwachsenwerden, ihre verzweifelte Suche nach sich selbst und ihren Grenzen, ihren Aufenthalt in der Psychiatrie, das Ruhiggestelltwerden mit Medikamenten. Wie Gewehrsalven zischen diese knappen Sätze an einem vorbei, voller Schmerz, aber auch voller Lust am Untergang und des eigenen Kaputtseins. Es ist der Versuch, sich selbst zu spüren im Extrem, im Exzess. Nur langsam lernt die Erzählerin, dass sie auch außerhalb des permanenten Ausnahmezustands Konturen bekommen und zu Menschen Verbindung aufbauen kann. Pedersens Text ist laut, brutal und unerbittlich; aus dieser Unerbittlichkeit zieht er Kraft. Am Ende muss die junge Frau erst eine Schneise durch den Dschungel schlagen, um bei sich selbst wieder anzukommen. »Null« ist eine Achterbahnfahrt in den Abgrund und wieder hinaus.

Aus: Buchkultur 199

Gine Cornelia Pedersen
Null
Ü: Andreas Donat
Luftschacht, 192 S.