Quentin Tarantino liefert selbst das Buch zu seinem Film „Es war einmal in Hollywood“. Foto: Art Streiber.
Machen wir uns nichts vor: Die deutsche Übersetzung von Quentin Tarantinos Roman „Es war einmal in Hollywood“ kann nur ein masochistisches Unterfangen sein. Am lässigen amerikanischen Sprech im Kalifornien des Jahres 1969 muss selbst der große deutsche Stilist Thomas Melle scheitern. Ist er auch, und hat nach einem Viertel an Profiübersetzer Stephan Kleiner übergeben. Der, abgebrühter, fand sich damit ab, dass sich sein Text liest wie ein hastig zusammengeschustertes Synchronskript mit Ausdrücken wie „Dämlack“ und „Herzchen“.
Wenn Sie also ein wahrer Fan sind und den Film im Original gesehen haben, besorgen sie sich auch das Buch auf Englisch. Es sei denn, Sie sehen auch dann keinen Sinn im Konzept „Das Buch zum Film“, wenn der Meister selbst dieses als eine Art Auto-Fan-Fiction verfasst hat. Oder Sie interessieren sich nicht die Bohne für Filme und sind schnell genervt von nerdigem Namedropping. Dann lassen Sie es ganz.
Aber vielleicht sind Sie ja willig, Toleranz walten zu lassen, handelt es sich bei der literarischen Adaption von Tarantinos bisher neuestem Streifen doch um nicht mehr oder weniger als um Pulp Fiction, also das vom Autor verehrte Genre des Groschenromans. Indem Tarantino den Plot eines Westerns schildert, den Hauptfigur Rick Dalton dreht, schafft er es sogar, in seinen Meta-Schundroman noch einen weiteren, „klassischeren“ einzuweben. Wenn er demnächst für Netflix die erfundene Serie „Bounty Law“, die seinen ursprünglich von Leonardo DiCaprio gespielten Protagonisten einst bekannt machte, verfilmt, wird Tarantinos nostalgisches Nerdiversum perfekt sein.
Und es ist ja nicht so, als könnte der Mann nicht erzählen. Bisweilen beschreibt er Szenen aus seinem Drehbuch eins zu eins in Prosa, etwa die Begegnungen des Stuntmans Cliff (im Film gespielt von Brad Pitt) mit Bruce Lee oder mit dem blinden Ranchbesitzer George Spahn. Dabei lässt er die Leser/innen auch hinter die Fassade blicken: Was denkt Sharon Tate, als sie sich ihren eigenen Film im Kino anschauen geht? Wie kam es dazu, dass sie, sonst auf „das süße, kleine Ding“ abonniert, als tollpatschige Komödiantin besetzt wurde? Hier kommt Tarantinos unwahrscheinliches Filmwissen zum Tragen. Für die leidenschaftliche Vermittlung des Business verzeiht man ihm gern die endlosen Namens- und Titellisten und etwas widerwillig sogar die Tatsache, dass er den massiven Sexismus der damaligen Zeit nicht nur ausstellt, sondern sich genüsslich darin suhlt.
Wer „Once Upon a Time…“ noch nicht gesehen hat, kann übrigens problemlos die Reihenfolge umdrehen. Die gigantische Überraschung am Ende des Films nimmt das Buch nicht vorweg.
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Quentin Tarantino
Es war einmal in Hollywood
Kiepenheuer & Witsch
Ü: Stephan Kleiner, Thomas Melle, 416 S.