Der französische Autor und Journalist Sorj Chalandon gibt einem aus einer Strafkolonie geflohenen und verschwundenen Jugendlichen eine neue Geschichte. Foto: JF PAGA


20 Francs Geld für jedes Kind. Für dieses Kopfgeld jagten im Jahr 1934 Bürger und Bürgerinnen der Bretagne 56 aus einer Strafkolonie entflohene Jugendliche und Kinder. Alle bis auf einen wurden gefasst. Was aus jenem Jungen wurde, bleibt ungeklärt, aber Sorj Chalandon lässt ihn als Ich-Erzähler schildern, was hätte sein können.

Im Kopf entstehen beim Lesen Bilder, die von blauen, grauen und gelben Farben geprägt sind. Die als Erziehungsheim betitelte Strafkolonie befindet sich auf einer Insel in der Bretagne, die Jungen sollen unter anderem für die Schifffahrt vorbereitet werden. Zu einem größeren Teil reagieren sich aber die »Erzieher«, oft ehemalige Soldaten aus dem Ersten Weltkrieg, körperlich und emotional an den Kindern und Jugendlichen ab. Chalandon beschreibt eindrücklich die brutale Atmosphäre für die Jungen, die großteils kleine Diebe oder einfach Waisen sind, sowie die Selbstgerechtigkeit der vorgeblich besseren Gesellschaft. Er nimmt dabei nicht nur mittels eines Namens (Jean Valjean) Anlehnung an »Die Elenden« von Victor Hugo, auch bekannt als Film und Musical »Les Misérables«. Manchmal braucht es nur ein oder zwei freundliche Menschen im Leben und eine Verbrecherkarriere könnte gestoppt werden. Jedoch wird das Gewaltpotenzial der Jungen nach Jahren der Misshandlung von Chalandon nicht unterschätzt. Er verwebt – mit manch Seitenhieb auf die Presse – in gelungener Art und Weise Sozialkritik mit der brodelnden Weltpolitik der Zeit. Die 3sat-Buchzeit diskutiert am Sonntag, 19. Oktober 2025, übrigens über »Herz in der Faust«.

Sorj Chalandon
Herz in der Faust
dtv, 400 S.