How to get away with murder – or not: fünf der raffiniertesten,
aus­gefallensten, mörderischsten Romane der Kriminal­literatur. Illustration: Jorghi Poll.


Ellery Queen: »The Chinese Orange Mystery« (1934)
Niemand kam ins Zimmer. Niemand verließ es. Davor das ständig besetzte Sekretariat. Wer also tötete nur den Mann im Raum? Wieso sitzt die Kleidung an ihm verkehrt herum, warum wurden alle Möbel umgedreht, weshalb die Leiche zusätzlich mit Speeren fixiert? Auftritt (zum 8. Mal): Ellery Queen, Elegant und charmanter Privatdetektiv (und erfolgreicher Krimiautor, siehe Richard Castle), in einem »unmöglichen« Mordfall, einem der raffiniertesten »locked room mysteries« überhaupt (und 1958 mysteriös schlecht ins Deutsche übersetzt). Ellery Queen, der Autor, der Ellery Queen erfand, war selber mysteriös, es war das Pseudonym der ab 1929 sehr produktiven, sehr erfolgreichen Cousins Frederic Dannay und Manfred B. Lee.

John Dickson Carr: »The Judas Window« (1938)
Englischer als britische Toter-im-geschlossenen-Zimmer-­Autoren war nur einer: der Amerikaner John Dickson Carr (1906–1977, 100 Bücher in mehr als 40 Jahren). Das nie ins Deutsche übersetzte, ziemlich rare »The Judas Window« (US-Titel: »The Crossbow Murders«, Die Bogen-Morde) ist noch besser als das allseits gerühmte »The Hollow Man« (US-Titel »The Three Coffins«, deutsch »Der verschlossene Raum«). London, eine Villa, darin ein Zimmer mit Jagdtrophäen, Stahljalousien und schweren Holztüren, alle fest versperrt. Avory Hume ist darin zu Gast und erwacht nach einem Whiskey, darin Betäubungsmittel war, neben dem mit einem Pfeil erschossenen (nur wie?) Gastgeber. Sir Henry Merrivales kniffligste Causa.

Christianna Brand: »Green for Danger« (1944)
Agatha Christie, Dorothy L. Sayers, Josephine Tey, Margery Allingham und die Neuseeländerin Ngaio Marsh, die »Queens of Crime«: alle hinlänglich bekannt. Aber die Engländerin Christianna Brand (1907–1988)? »Green for Danger« (»Narkose«, 1951 schlimm ins Deutsche übertragen, auf Englisch zuletzt 1999 aufgelegt) ist wohl ihr raffiniertester Roman. Wo versteckt man am besten einen Exitus? In einem Spital. 1944, England, Luftkrieg. Im OP eines Provinzspitals stirbt bei einem Routineeingriff ein Postbote. Ein Kunstfehler – oder mehr? Reiner Routine halber, nur um weitere Gerüchte zu unterbinden ermittelt Inspector Cockrill … und stößt auf eine mörderische Verschwörung in abgefeimtester Manier.

Donald Westlake: »The Ax« (1997)
Mit den Büchern Donald Westlakes (1933–2008) kann man allein eine Bibliothek ausstatten. Er erfand Dortmunder und Parker. Schrieb härter und lustiger als Elmore Leo­nard. »The Axe« (wem fiel nur als deutscher Titel »Der Freisteller« ein?) zeigt einen Ausweg aus der Arbeitslosigkeit auf. Burke Devore, mittelalt und seit 18 Monaten arbeitslos, bewirbt sich für einen Job in einer Papiermühle … und räumt nach und nach das halbe Dutzend Mit-Stellenbewerber aus dem Weg und den Noch-Posten-Inhaber, nicht alle wie geplant, hie und da spritzt das Blut höher. Dunkler war Westlake selten. Wir sitzen mitten in des rasend wütenden Burkes Hirn. Dostojewskis Raskolnikow in der so­zialdarwinistischen Benchmark-Mühle.

Stuart Turton: »Die sieben Tode der Evelyn Hardcastle« (2018)
Quasi aus dem Nichts erschien 2018 Stuart Turtons mords­cleverer Debütroman. Eine berückend raffinierte Hommage ans Goldene Zeitalter à la Christie et alii. Kombiniert mit »Und immer grüßt das Murmeltier«. Es sind die 1930er-Jahre. Ein abgelegener Landsitz, eine große Party, an deren Ende ein jäher Suizid passiert – oder war es doch Mord? Aber wie? Und wer hätte, wer könnte, wer müsste … Vollends rätselhaft: Alles beginnt acht Tage lang immer wieder von vorne. Und der Ermittler wacht jeden Morgen in einem anderen Körper, als Gast, Diener, Mann, Frau auf. Dem britischen Ex-Journalisten gelang eine wahrhaft grandiose Wiederauferstehung und Reanimation »klassischer« Motive und ein Mordsfinale.