Michael Krügers glanzvoll imposante Lebenserinnerungen an Poeten, Projekte und ein langes Verlagsleben


Dass Buchverlagsmenschen, zu Recht des Zynismus verdächtigt, in die Knie gehen und andächtig staunen, passiert derart selten, dass man nicht einmal drei Finger einer Hand braucht, um alle Gelegenheiten aufzuzählen. Wenn sie aber Michael Krüger begegnen, dann tun sie es. Vor allem, wenn er anhebt, in seinem sonoren Tonfall über literarische und sonstige Größen, denen er begegnet ist, zu reminiszieren. Und dann beginnt Staunen, weil es für ihn selbstverständlich war, von Tomas Tranströmer in Schweden zu Susan Sontag in New York zu jetten, zwischen München, der Villa Massimo in Rom und Jerusalem zu pendeln.

Ihn eine Legende zu nennen, ist eine Übertreibung nicht. Mit 24 (!) wurde der Berliner, der Anfang Dezember seinen 80. Geburtstag feiern wird, Lektor im Carl Hanser Verlag, später dessen Verlagsleiter. Und ging dort 2013 in Pension, mit 70 Jahren – allein dies ist schon singulär. Unter der Ägide des begnadeten Netzwerkers – so fungierte er für den Poeten Zbigniew Herbert (kein Hanser-Autor!), dessen Desorganisation jedes Verstandesmaß überstieg, in Deutschland als Amtswalter, auch als Bank – sammelten seine Autorinnen und Autoren, von Seamus Heaney zu Walter Kempowski, von Philip Roth über Umberto Eco, Botho Strauß zu David Rokeah und Elias Canetti, die er vereinte und zusammenführte, Auszeichnung auf Auszeichnung, viele Nobel-, Büchner- und Petrarcapreise, dazu viele weitre Lorbeeren. Er war vielleicht der letzte – und ist der einzig noch lebende – Verleger alten Typus, einzig Klaus Wagenbach und Siegfried Unseld (Suhrkamp-Insel) an die Seite zu stellen, die einen ganzen Raum mit ihrer Präsenz und ihrer Aura füllen konnten (dem tat auch keinerlei Abbruch, dass der Berichterstatter einmal persönlich erlebte, wie der modeaverse Krüger, der lebenslang leger auftrat, einmal auf Socken durch das alte, winkelige Gebäude des Hanser Verlags schlapfte). Legendär auch sein Arbeitsfuror – ein Romanmanuskript von 600 oder 800 Seiten an einem Wochenende zu lesen, war noch für den Endsechziger eine Selbstverständlichkeit, was halb so alte Lektorinnen in Panik versetzte. Nicht zuletzt: Er ist selbst Lyriker von Graden, Übersetzer, Herausgeber, Autor von Erzählungen und Romanen.

Nun führt er, zwischenzeitlich ob schwerer Krankheit zurückgezogen in einem Häuschen am Starnberger See die Pandemiezeit überstehend, vieles in den letzten Jahren verstreut Erschienenes, Nachworte und Autobiografisches zur lang erwarteten faszinierenden Erzählung eines großen Verlegerlebens mit Büchern, Autoren, Arbeits- und Freundschaftsbeziehungen zusammen.

Michael Krüger
Verabredung mit Dichtern. Erinnerungen und Begegnungen
Suhrkamp, 448 S.