Erhellend und leichtfüßig werden entlang einer gemeinsamen Reise prägende Stationen zweier eng verbundener Leben aufgerollt.


Ein ehemaliges Ehepaar packt in bestem Einverständnis und ohne gegenseitige Zensur die Schmutzwäsche aus. Wenn das kein gefundenes Fressen für Klatschsüchtige ist, was dann? Tatsächlich wird hier nichts geschönt: Franz Xaver Kroetz registriert, dass seine Ex bezüglich erotischer Anziehung immer noch appetitlich ist, obwohl sie seit ihrer Trennung aufgegangen ist wie eine Dampfnudel. Marie Theres Relin begrüßt, dass ihn das Alter zahnlos gemacht hat und er vom Alkohol, den er mit 77 Jahren immer noch täglich trinkt, nicht mehr aggressiv wird. Unter dem Strich aber bleibt soviel ironisch, ja manchmal auch sarkastisch dargestellte Liebe und Zärtlichkeit füreinander, dass man das Buch mit einem glücklichen Lächeln schließt. Die Tochter aus erfolgreichem Haus und der Dichter aus dem Nirgendwo haben gegensätzliche Probleme. Sie muss mit 56 noch Jobs hinterherjagen und verdingt sich u. a. als Reiseleiterin, er befindet sich in einer Schreibblockade, hat ein kaputtes Knie und Asthma. In Überlegungen, wie es dazu gekommen ist, spielt die Rollenverteilung bei drei gemeinsamen Kindern mit, aber auch bedrückende Erinnerungen an das Schell-Imperium wie die psychische Erkrankung von Relins Mutter und ihre Vergewaltigung durch den Onkel. Es ist ihrer Cousine Nastassja Schell hoch anzurechnen, dass sie die Glaubwürdigkeit dieser Erinnerung bestätigt hat.

Marie Theres Relin, Franz Xaver Kroetz
Szenen keiner Ehe
dtv, 320 S.