Von Schmetterlingen im Bauch und Gefühlen im Ausnahmezustand: Erste Liebe in der Kinder- und Jugendliteratur. Illustation: pixabay/Buchkultur.
Sie bringt das Herz zum Rotieren, während die Welt ringsum stillsteht, und sorgt für das »Wunderkerzenflimmern« im Bauch, auch wenn Weihnachten längst vorüber ist. Die erste große Liebe trifft uns so allumfassend und intensiv wie kaum etwas. Und wie fast nichts sonst prägt sie unser späteres Leben. Dass jemanden zu lieben aber nicht bedeutet, sich selbst zu verlieren oder seine Persönlichkeit zu verbiegen und Liebe viele Gesichter hat – das zeigen drei starke Neuerscheinungen für junge Leser/innen.
In »Bleistiftherz« der Norwegerin Elin Hansson fährt die Liebe mit dem Skateboard ein. Die fast dreizehnjährige Liv wohnt nach dem Tod ihrer Großmutter, die eine wichtige Bezugsperson war, allein bei ihrer Mutter. Dass sie nach den Ferien ohne ihre beste Freundin auf eine neue Schule wechseln soll, macht das Leben nicht leichter. Liv kleidet und drückt sich altmodischer aus als die meisten ihres Alters (sie besucht noch immer die alten Freundinnen ihrer Oma) – das macht sie authentisch und liebenswert, aber auch zur Außenseiterin und Zielscheibe von Mobbing. Zeichnen hilft, denn dann kann man all das Schwarze aufs Papier bannen. Ein Skateboardkurs mit Frans (der Sohn einer Kollegin ihrer Mutter) soll Livs Selbstwertgefühl auf die Sprünge helfen. Beim Blick in seine grünen Augen dreht ihr Herz Pirouetten. Sie fürchtet die Konkurrenz. Und macht die Erfahrung, dass es nicht notwendig ist, sich anzupassen, um zu gefallen, dass es sich lohnt, immer wieder aufzustehen und es Wege aus der Trauer gibt. Wunderschön, voller Seele und mit einem Ende, das zu Herzen geht.
Aus dem hohen Norden – der Heimat großer Kinderliteratur – kommt auch »Fanny und die Liebe« der Schwedin Sara Ohlsson. Der Nachfolgeband von »Fanny ist die Beste« streift das Thema gleichgeschlechtliche Liebe auf ganz sanfte und selbstverständliche Weise. Darin erzählt uns Fanny (sie geht schon in die Schule) aus ihrem Alltag und dem Leben mit Mutter und Oma. Und dann, eines Tages im Kunstunterricht (herrlich: Fannys Definition von »Kunst« als »nämlich irgendwie alles«), fragt ihre beste Freundin Ester sie, ob Fanny in sie verliebt sein möchte. Fanny weiß, dass Mädchen in Buben und Mädchen verliebt sein können. Aber sie will stattdessen lieber lustige Sachen machen: Wettkämpfe, klettern oder Pferd spielen. Ob Ester jetzt noch mit ihr befreundet sein will? Ein wunderbar witziges, zartes Buch über die großen Gefühle kleiner Leute.
Ella auf Klassenfahrt – das war ein erfolgreiches Kinderbuch (von Timo Parvela). Auch Ella aus Emma Flints Tagebuchroman »Für mein Leben seh ich kunterbunt« ist mit ihrer Klasse unterwegs (nach Berlin). Da weiß sie noch nicht, dass ihr bald eine noch viel aufregendere Zeitreise bevorsteht. Das hat mit Jannis zu tun, dem Neuen an der Schule, der ein tragisches Geheimnis birgt. Um es zu lösen, muss Ella, die ein Händchen für Katastrophen hat, einmal zur richtigen Zeit am richtigen Ort sein. Emma Flint (Pseudonym für Hanna Dietz) hat einen hochkomischen, mit Jugendslang gespickten und ins Fantastische gehenden Abenteuerroman um die Veränderungen, die die erste Liebe mit sich bringt, geschrieben. Ella ist vielleicht nicht die Beste in der Schule, aber ein mutiges, schlagfertiges und hilfsbereites Mädchen mit einer Mission. Sie ist wild entschlossen, sich nicht zu verlieben wie ihre beste Freundin (mit der dann nichts mehr anzufangen ist), aber dann spürt auch sie das »Wunderkerzenflimmern« im Bauch.
Drei ungewöhnliche Protagonistinnen auf der Achterbahn der Gefühle und der Suche nach sich selbst: Liv, Fanny und Ella haben das Herz auf dem rechten Fleck. Davon kann es im Leben und in der Literatur nie genug geben.
Aus: Buchkultur Junior Spezial, November 2021
Elin Hansson
Bleistiftherz
Ü: Meike Blatzheim
Hummelburg, 192 S.
Ab 11
Sara Ohlsson
Fanny und die Liebe
Ü: Friederike Buchinger
Moritz, 112 S.
Ab 7
Emma Flint
Für mein Leben seh ich kunterbunt (wenn ich nur erst den Durchblick hab)
Ill: Eva Schöffmann-Davidov
Arena, 321 S.
Ab 10