Dass nicht wenige Kinder ihre Freizeitgestaltung, aber auch Wissensbildung, im Jahr 2021 größtenteils am Computer gestalten, wissen leidgeprüfte Eltern. Aber welche Inhalte in den endlosen Weiten der digitalen Welten sind dabei zu empfehlen? Der Deutsche Kindersoftwarepreis TOMMI will Kindern und Eltern eine Orientierung bieten, welche Spiele unterhaltsam sind und Freude bringen. Nach ausgiebigen Tests haben über 1600 Kinder und Jugendliche über die diesjährigen Sieger entschieden. Michael Schnepf hat mit dem Initiator Thomas Feibel gesprochen. Abbildung: Super Mario (Super Mario 3D World & Bowser’s Fury, Nintendo).


Buchkultur: Sie haben den TOMMI-Preis vor 20 Jahren ins Leben gerufen. Was hat sich in dieser Zeit bei Computerspielen für Kinder geändert?

Thomas Feibel: Damals mussten Kinder ihre Eltern noch fragen, wenn sie ein Spiel haben wollten. Seitdem Kinder heute ein eigenes Smartphone besitzen, entscheiden sie oft alleine, welche Spiele sie herunterladen. Die sind nicht immer pädagogisch wertvoll, außerdem zocken heute viele Games ihre Spieler durch in-Käufe und andere Lockangebote ab.

Wie reagiert die Auszeichnung auf solche Entwicklungen?

Durch Sensibilisierung. Beim TOMMI arbeiten wir eng mit den besten Vermittlern von Medienkompetenz in Deutschland, Österreich und der Schweiz zusammen: den öffentlichen Bibliotheken. Das Fachpersonal der Bibliotheken führt die Kinderjury vor der Testphase in das Thema ein und spricht über Licht- und Schattenseiten der Games. Durch die Bibliotheken haben zudem auch Kinder die Möglichkeit an digitalen Entwicklungen zu partizipieren, die sie sich vielleicht zu Hause nicht leisten können.

Manche Eltern meinen, Computerspiele sind Zeitverschwendung und sorgen sich um ihre Kinder. Ist das berechtigt?

Solange Eltern drauf achten, was und wie lange ihre Kinder spielen, gibt es eigentlich keinen Grund zur Sorge. Spielen gehört zur Entwicklung von Kindern dazu, die sich in einem Zustand permanenter Veränderung befinden. Je älter sie werden, desto mehr steigen ihre Ansprüche, auch an Spiele. Und mit Spielen sind nicht nur Videospiele gemeint. Würden wir mehr Brettspiele mit ihnen spielen, dann wären Videogames immer noch faszinierend, aber sie müssten nicht länger allein ihr Bedürfnis nach Spielen erfüllen.

Wie hat die Pandemie die Spiele und die Spielenden geprägt?

Der Mensch braucht Gemeinschaft, denn er erlebt sich nur in Gesellschaft. Jetzt gab es aber eine besondere Zeit, in der Kinder ihre Freunde nicht sehen konnten. Sicher haben sie dann über Smartphones erheblich mehr kommuniziert und mit anderen online deutlich länger gespielt. Das konnte zwar die echte Begegnung nicht ersetzen, war aber besser als nichts. Um den übermäßigen Konsum jetzt wieder herunterzuschrauben, gibt es ein ganz einfaches Mittel: Beschäftigen wir uns mehr mit unseren Kindern und unternehmen Dinge mit ihnen, die sie wirklich interessieren.

Ihr Preis gibt eine hilfreiche Orientierung, welche Produkte empfehlenswert sind. Was sind denn da die Kriterien, an denen das ein Erwachsener etwa beim Kauf erkennen kann?

Beim TOMMI wählt zunächst eine Jury aus journalistischen, pädagogischen und wissenschaftlichen Fachleuten die Nominierungen aus. Diese sind zum Beispiel frei von Gewalt. Bei App-Games wird unter anderem geprüft, ob sie sich an die Regeln des Datenschutzes halten. Für den TOMMI hat die Hochschule für angewandte Wissenschaften in Hamburg eigens einen umfangreichen Kriterienkatalog entwickelt, der auf www.kindersoftwarepreis.de nachzulesen ist.

Alleine in diesem Jahr haben über 1600 Kinder und Jugendliche mitgemacht. Können Sie übergeordnete Muster erkennen, auf was diese ganz besonders ansprechen? Sind das Charaktere oder Handlungen, sind das spezielle Herausforderungen oder Belohnungssysteme?

Das lässt sich nicht so pauschal beantworten. Beim TOMMI haben Kinder immer das letzte Wort. Weil Kinder und Jugendliche wissen, dass wir ihre Meinung ernst nehmen, nehmen sie ihre Aufgabe ebenso ernst wahr. Sie spielen nicht zum reinen Vergnügen, sondern filtern Stärken und Schwächen heraus, um zu einem Urteil zu gelangen. Sicher mögen dabei auch bekannte Marken eine Rolle spielen, aber dieses Jahr kamen besonders gut Games in der Kinder- und Jugendjury an, die sie zu zweit spielen konnten.

Eine wichtige Rolle nimmt Kindersoftware bei der Wissensvermittlung, also im Bildungsbereich, ein. Welche Bedeutung geben Sie dem – gerade in Zeiten wie diesen?

Viele Eltern verstehen unter dem Thema Bildung meistens Lernsoftware für Mathe, Deutsch und Englisch. Ja, das gehört auch dazu. Aber wir fassen den Bildungsbegriff beim TOMMI deutlich weiter. Digitale Angebote können schwierige Stoffe spielerisch und unbeschwert aufbereiten. Dieses Jahr waren zum Beispiel Themen wie Quantenphysik, eine jüdische Kindheit im 3. Reich oder die Kunst der richtigen Investition dabei. Diese Spiele sind ein guter Start. Eine Vertiefung sollte dann zu Hause oder in der Schule erfolgen.

Ab welchem Alter empfehlen Sie, Kinder mit einem Computerspiel zu konfrontieren?

Kinder unter drei Jahren sollten an keinen Bildschirm. Ab 4 Jahren könnten Eltern mit ihren Kindern sicher gemeinsam eine App anschauen, aber gerade im Vorschulalter finde ich vorlesen viel viel wichtiger.

Die Sieger 2021:

> Konsole: Super Mario 3D World & Bowser’s Fury (Nintendo)
> PC: Fling To The Finish (Daedalic)
> App: Die Olchis – Turmbau für Kids (Fox & Sheep)
> Elektronisches Spielzeug: DKT- Smart (Wiener Spielkartenfabrik/Piatnik)
> Bildung: Investnuts (VisualVest)
> USK 12: It Takes Two (Electronic Arts)


Foto: Hoffotografen

Thomas Feibel (Jahrgang 1962) ist einer der führenden Journalisten in Sachen Kinder und Computer in Deutschland. Der Medienexperte leitet das Büro für Kindermedien in Berlin und publiziert für Spiegel.de , Stiftung Warentest, c’t, Tagesspiegel, Stafette, Dein Spiegel und viele andere. Er arbeitet für das Deutschlandradio, den WDR und das RBB-Fernsehen.