Kleine, feine Anleitung für Frauen, sich in bester Gesellschaft – nämlich mit sich selbst – Lust zu verschaffen.
Will ich das alles wirklich so genau wissen? Ja, ja, und noch einmal ja! Julia Pietri bekennt in ihrem Einleitungstext zum Sachbuch „Mit Fingerspitzengefühl“ freimütig, dass sie in ihrer Heimat Frankreich keinen Verlag für ihr Buch finden konnte, als sie es 2018 zur Veröffentlichung anbot. Sie entschied sich tapfer für die zweischneidige Veröffentlichung im Selbstverlag, und nun, nach 20.000 verkauften Exemplaren innerhalb kürzester Zeit, fragen die Verlage bei ihr an, ob sie es übersetzen dürfen. Für die deutsche Ausgabe hat das Rennen der Verlag Antje Kunstmann gemacht und frau kann ihm und seinen Leser/innen nur gratulieren. Dass die Klitoris, das Organ, das bei biologischen Frauen sexuelle Erregung bis hin zum Orgasmus auszulösen imstande ist, über zwei von außen unsichtbare, bis zu neun Zentimeter lange Ausläufer verfügt, wurde erst 1998 von der australischen Urologin Helen O’Connell entdeckt und beschrieben. Es handelt sich dabei um Schwellkörper, die maßgeblich am Zustandekommen sexueller Lust beteiligt sind.
Wenn frau überlegt, dass auch aufgeklärte Zeitgenoss/innen bis zur letzten Jahrtausendwende davon ausgingen, dass die Klitoris nur dieses knöpfchenartige Gebilde am oberen Ende der Vulva sei, kommt sie schon ins Nachdenken. Die Abbildung des ganzen Komplexes beginnt sich allmählich durchzusetzen, zum Beispiel auf den Kampagnenplakaten auf itsnotabretzel.com.
Julia Pietris Buch ist kein Ratgeber im engeren Sinn, aber ein Ermunterungsbuch. Sie hat neben sachkundiger Fachrecherche 6345 Antworten, die sie im Lauf eines Monats auf ihrem Blog gangduclito.com zugeschickt bekommen hat, analysiert. Dabei spart sie zwar die Ängste und Schuldgefühle, die ihr dort anvertraut wurden, nicht aus, führt aber freudvoll zu den unendlich vielen und unendlich unterschiedlichen Formen des Lustempfindens, inklusive Masturbation zu zweit. Vielleicht gewagt, aber allemal wunderbar schöpferisch ist ihre Assoziation zum weiblichen Intellekt: „Zu Masturbieren bedeutet auch, sich Zeit zu nehmen, nur für sich selbst. Aus meiner Sicht führt das den Gedanken der englischen Schriftstellerin Virginia Woolf weiter, die erklärte, man solle ‚ein Zimmer für sich allein‘ haben, um ungestört von den anderen Familienmitgliedern schreiben zu können.“
—
Julia Pietri
Mit Fingerspitzengefühl. Kleine Anleitung zur weiblichen Masturbation
Ü: Sina de Malafosse
Kunstmann, 144 S.